Eintrag 2544. Juli 1843 Der Stadtrath von Neuss, schmerzlich ergriffen von der
traurigen Lage der arbeitende Classe, welche bei dem
eingetretenen Roggen-Mangel, und dadurch herbeige-
führten ungewöhnlichen Theuerung des Brodes durch-
gängig nicht einmal so viel verdient, um dieses unent-
behrliche Lebensmittel für ihre Familien anschaffen zu
können, versammelte sich heute, um darüber zu berathen,
wie diesem augenblicklichen Nothstande am wirksamsten
und schnellsten zu steuern sei. Es wurde allgemein erkannt, daß es sich hier um
momentane Befriedigung eines höchst dringenden
Bedürfnisses handle, und daher eine Roggen-Beziehung
aus den entfernteren Niederlanden keine Aushülfe
gewähren könne, indem die Sendungen durch den un- vermeidlichen Aufenthalt beim Transport
zu spät
eintreffen würden, um damit den gewünschten
Zweck zu erreichen. Der Stadrath, dessen Absicht es ist, das Brod zu einem
mäßigen und wohlfeileren, als dem laufende Preise an
die arbeitende Classe verabreichen zu lassen, findet hierzu
kein geeigneteres Mittel, als die vorgesetzte Königliche
Regierung inständig zu bitten, ihre Vermittelung
dafür eintreten zu lassen, daß der hiesigen Stadt, wie
es nach öffentlichen Nachrichten auch schon in Coblenz und
Aachen geschehen ist, aus den Königlichen Magazinen, [unleserliches Wort]
den Festungs-Beständen vorläufig einen Quantität
von sechshundert Scheffeln Roggen oder Roggen-Mehl unter
der Verbindlichkeit verabfolgt werde, eine gleiche Quan-
tität in einem beliebig zu bestimmenden Zeitpunkte nach
der Erndte in nämlicher Güte und Beschaffenheit an die
Königlichen Magazine wieder zurück zu liefern. Indem der Stadtrath für diese Zurückerstattung
namens
der schon durch ihr Patrimonial-Eigenthum hinlängliche
Sicherheit darbietende Gemeinde Neuss mittelst der gegen-
wärtigen Erklärung die nöthige Bürgschaft übernimmt,
kann er nur den angelegentlichen Wunsch aussprechen,
daß die Überweisung der ebetener Quantität Roggen
oder Roggen-Mehl auf das Schleunigste, und sofern
es geschehen kann, wegen des schnelleren Transportes
aus der Königlichen Magazinen zu Düsseldorf, sonst
aber aus der Festungs-Beständen in Wesel erfolgen
möge, da jeder Augenblick der Verzögerung den
Nothstand auf eine drohende Weise vermehre. Diesen Nothstand von der arbeitenden
Classe abzu-
wenden, scheint das vorgeschlagene Mittel, bei dem
wirklich eingetretenen Roggen-Mangel das einzig ab-
helfend, und es vertraut daher der Stadtrath zu der
anerkannten Bereitwilligkeit der Landes-Regie-
rung in solchen außerordentlichen Fällen gleich
Hülfe zu leisten, daß die ausgesprochene Bitte diejeni-
ge schnelle Gewährung finden werde, welche allein
vermogend ist, einer höchst betrübenden Lage der ar-
beitenden Classe wirksam abzuhelfen. Actum ut supra...