Die Ratsprotokolle

Die Neusser Ratsprotokolle

Kern von Consilium Communis sind die handschriftlich überlieferten Neusser Ratsprotokolle aus der Zeit zwischen 1530 und 1930 (danach liegen die Protokolle in gedruckter Form vor). Die Ratsprotokolle stellen eine zentrale Quelle zu 400 Jahren Neusser Stadtgeschichte dar und bieten auch Einblicke in die historische Entwicklung der Region. Eine so vollständige Überlieferung ist im Rheinland sonst kaum zu finden. Daher besteht sowohl auf Seiten der Forschung ein großes Interesse an dem Bestand als auch bei Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Neuss, die „ihre“ Stadtgeschichte auf diesem Weg aus einem neuen Blickwinkel betrachten können.

In Zahlen

In insgesamt 75 Bänden liegen ca. 30.000 Protokollseiten vor, die das Geschehen in den Ratssitzungen und zentrale Entscheidungen des Stadtrates seit 1530 dokumentieren. Vier Bände aus der Zeit der Franzosenzeit (1794-1814) befinden sich im Original nicht im Stadtarchiv Neuss, sondern im Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland in Duisburg und wurden freundlicherweise von dort zur Verfügung gestellt.

Die Protokolle mehrerer Jahre sind in teils dicken Bänden zusammengebunden worden. Der dickste Band ist sage und schreibe fast 16 Zentimeter dick! Der schiere Umfang der Protokollbände macht eine Erschließung zeitaufwändig und schwierig, sodass Consilium Communis dafür auf einen Citizen-Science-Ansatz zurückgreift, um auch Neusser Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, an der Erschließung der Stadtgeschichte aktiv mitzuwirken.

Die Schrift

Nicht nur der große Umfang der Ratsprotokolle, sondern auch die darin verwendeten historischen Handschriften machen die Transkription, also das Anfertigen der Abschriften, teils zu einer kniffligen Angelegenheit. Die im deutschen Sprachraum verwendete Schrift hat sich seit dem Mittelalter immer wieder verändert. Sie hat zwar, wie die von uns heute verwendete Schrift, ihre Wurzeln in der von den Römern verwendeten Kapitalis mit ihren 23 Buchstaben, hat sich aber seit der Zeit Karls des Großen im 8. Jahrhundert davon im Laufe der Jahrhunderte immer mehr entfernt. Seit dem 14. Jahrhundert fand die Gotische Kursive Verwendung, deren Buchstaben nicht mehr rund, sondern gebrochen und die erstmals für ein flüssigeres Schreiben teils miteinander verbunden waren. Seit dem 16. Jahrhundert gab es dann eine eigene Deutsche Schrift mit jeweils verschiedenen Schriften für gedruckte Werke und für handschriftliche Texte. Die Deutsche Schrift war vor allem durch ihre gebrochenen Buchstaben gekennzeichnet war. Für amtliche Schriftstücke, wie sie die Ratsprotokolle darstellen, wurde die Deutsche Kanzleischrift verwendet. Diese hat ihr Bild bis zum Ende des 19. Jahrhundert immer wieder verändert und war noch nicht vereinheitlicht. 1911 erhielt dann Ludwig Sütterlin den Auftrag, eine neue Schulausgangsschrift zu entwickeln. Diese Sütterlinschrift wurde danach zuerst in Preußen und dann in fast allen deutschen Ländern übernommen. 1941 führten dann die Nationalsozialisten die Antiqua mit ihrem lateinischen Alphabet als Normal-Schrift ein, wie wir sie heute verwenden.
Geschrieben wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein mit Federkiel und Tinte. Erst die Einführung der Schreibmaschine in den Verwaltungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts löste die handschriftlichen Akten, Ratsprotokolle etc. ab.

Die Schreiber

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war es der Stadtschreiber, der die Ratsprotokolle verfasste. Er war der wichtigste städtische Beamte und engste juristische Berater des Bürgermeisters und hatte diese Stelle in der Regel auf Lebenszeit inne. Der erste bekannte Neusser Stadtschreiber ist Christian Wierstraet, ca. 1466 bis 1490 Stadtschreiber und Verfasser der Reimchronik über die Belagerung durch Karl den Kühnen. Seit dem 19. Jahrhundert werden die städtischen Akten, Urkunden und Ratsprotokolle von städtischen Beamten geführt.

facsimilefacsimilefacsimilefacsimile_fullNürnberger Stadtschreiber
Quelle: Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung (Stadtbibliothek Nürnberg)