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  • Eintrag 29019. Februar 1846Der vorsitzende Bürgermeister lenkte in heutiger Sitzung die Aufmerksamkeit des Stadtrathes auf die in neuerer Zeit vom Staate Concessionirten Eisenbahn-Richtungen zwischen Ruhrort,Crefeld, Gladbach und DüsseldorfAachen, und setzte dann in weiterer Erörterung dieses wichtigen Gegenstandes, ausführlich auseinander, wie die nun keinem Zweifel mehr unterliegende Ausfüh- rung dieser Projekte Handel und Gewerbe hiesiger Stadt, und insbesondre einen der wichtigsten Zweige derselben den Steinkohlenhandel mit fast gänzlichem Untergang bedrohe. Die Stadt Neuss sei durch diese ungünstige Gestaltung der Dinge in eine höchst bedenkliche Lage gebracht, und es werde nun von ihren Maaßnahmen abhangen, ob sie den ehrenvollen Standpunkt in verkan- tilischen Leben, den sie mit so schweren Opfern erkauft habe, behaupten und weiter ausbilden, oder sich zu einer gänzlichen Abgeschlossenheit und Unbedeutendheit für alle Zukunft ver- urtheilt sehen wolle. Die Lage der Stadt sei daher eine solche, in welcher es sich im eigentlichen Sinne des Wortes um ihre Existenz, oder um ihren Untergang handle. Demnach bleibe dem städtischen Vorstande die wichtigste Aufgabe gestellt, auf Mittel Bedacht zu nehmen, welche vermögend sind, von der Stadt alle diejenigen mißlichen Folgen abzuwenden, von denen sie leider, aber gewiß betroffen wird, sobald die oben erwähnten Eisenbahn-Richtungen ohne ein anderweites Gegen- gewicht zur Ausführung gelangen. Als das wirksamste, als das einzige Mittel, die der Stadt drohenden großen Verlüßte zu ent- fernen, und ihn neue Erwerbsquellen zuzuführen, erscheine nach dem Urtheile aller derer, welche diese bedenkliche Lage zum Gegenstande ernsten Nach- denkens gemacht haben, eine derartige Erbreitung und Einrichtung des Erft-Canales, welche die Möglich- keit gewähre, denselben zu jeder Zeit des Jahres mit Dampfschiffen zu befahren. Über die Kosten dieses Werkes legte Bürgermei- ster hiernach den von derm Landbau-Inspector Oppermannunterm 17. Januar courant aufgestellten Anschlag, nebst den dazu gehörigen Zeichnungen, ersteren im Betrage von 82500 Thaler zur Einsicht und weiteren Berathung vor. Nach mehrseitiger und ausführlicher Besprechung erkannte der Stadtrath ebenfalls die hohe Wichtig- keit der Sache, und auch ihn durchdringt die tiefste Überzeugung, daß die Ausführung der in Rede stehen- den Eisenbahn-Richtungen dem Handel der Stadt Neuss den Todesstoß geben werde. Er muß es für seine heiligste Pflicht halten, mit allem ihn zu Gebote stehenden Mitteln Vorsorge zu treffen, daß der Handel der Stadt Neuss von gänzlichem Ruine bewahrt werde, und er findet dazu gleichfalls das einzige Mittel in der vorgeschlagenen Erbrei- tung und Befestigung des Erft-Canales, indem der Stadt dadurch Gelegenheit geboten wird, ihren Verkehr nach allen Seiten sie zu erweitern, nament- lich aber auch die Steinkohle aus den Zechen zu Steele vermittelst der Düsseldorf - Elberfelder- Eisenbahn und der Dampfschifffahrt auf dem Erft-Canale zu solchen Preisen zu beziehen, welche nach den ermittelten Sätzen eine Concurenz mit den Kohlen von der Ruhr und dem Wurmthale ge- stalten und sohin die Möglichkeit an die Hand geben, auch fernerhin von hieraus Kohlen in eine Gegend landeinwärts zu versenden, welche sonst für den diesseitigen Platz ganz und gar verloren gehen würde. Bei einem Gegenstande, wo die Zukunft der Stadt für Jahrhunderte hin auf das Spiel gesetzt ist, glaubt der Stadtrath in richtiger Auf- fassung der wahren Vortheile derselben, vor Opfern, wenn sie auch noch so groß scheinen mögen, nicht zurückweichen zu dürfen, und er beschloß demnach durch Stimmen-Mehrheit. Daß Königlich Hochlöbliche Regierung geboten werden mögen, sowohl zur Ausführung des Werkes nach dem vorliegenden Plan und Anschlage, als auch zur Negoziirung der dazu erforderlichen Capital- Summe ihre Zustimmung ertheilen, sodann auch Allerhöchsten Ortes hochgefällig darauf antragen zu wollen, daß diejenigen Privat-Grundstücke, welche zur Erbreitung des Canales enthwendig sind, auf dem Wege des Expropriations-Verfahrens erworben werden können. Indem der Stadtrath zu dieser die künfti- ge Wohlrahrt der Stadt allein sichern den Bschlie- ßung übergeht, bestimmt ihn zugleich die feste Überzeugung, daß die Ausführung des vorge- schlagenen Projectes vollkommen geeignet sein werde, alle diejenigen Hindernisse zu beseitigen, welche sich nach der Meinung erfahrener Techniker dem Bau der Düsseldorf-Aachener Eisenbahn in den jährlicher Überfluthung ausgesetzten Niederungen bei Heerdt entgegenstellen, da der enorme Kosten erfordernde, und bei jedem Eisgange der Zerstörung preisgegebene Bau jener Strecke dadurch entbehrlich gemacht ist, und Güter und Personen alsdann vermit- telst einer auf dem Erft-Canale anzulegenden Dampffähre ebenso schnell und noch billiger unmittelbar bis an die Düsseldorfer-Elberfelder respective die Cöln-Mindener Eisenbahn auf dem jenseitigen Rhein-Ufer befördert werden können. Der Stadrath glaubt, daß, wenn einmal der Erft-Canal für die Befahrung von Dampfschiffenauf dem vorliegenden Projecte vollkommen einge- richtet ist, die Düsseldorf-Aachener Eisenbahn- Gesellschaft es ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse gemäß finden wird, diesen Weg dem kostspieligen, und außerdem jedes Jahr der Zerstö- rung ausgesetzten Bau der nicht gefahrlosen Bahn durch die Niederungen bei Heerdt vorzu- ziehen, wodurch dann der Vortheil und die Rentabilität des diesseitigen Unternehmens noch unter jedem Gesichts-Punkte um ein Bedeu- tendes erhöht werden wird. Schließlich wird noch bemerkt, daß der Betrag des Anschlages sich um 4871 Thaler 12 Silbergroschen er- mäßigt, indem die Position 7. der Berechnung veranschlagte Eindämmung wegfallen kann, so wie auch daß der gegenwärtigen Beschluß mit einer Mehrheit von 18 Stimmen genommen wurde, während 2 Stimmen dagegen waren, und 2 Stimmen sich der Abstimmung enthalten haben. Actum utsupra...