Das Zeughaus, 1639 als Kirche der Franziskanerobservanten errichtet und 1802 säkularisiert, verdankt seinen Namen der preußischen Nutzung als Lager für Militärbestände in den Jahren 1826 bis 1864. Heute ist die „Gute Stube der Stadt“ für die Neusser ein beliebter Veranstaltungsort für festliche Anlässe und Feierstunden. Und die Musikliebhaber wissen, dass der Konzertsaal der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein und der „Zeughauskonzerte“ ein Ort mit vorzüglicher Akustik ist.
Umso überraschter ist der Leser der Neusser Ratsprotokolle, wenn er erfahren muss, dass die Stadtverordneten-Versammlung kurz vor Weihnachten 1884 der königlich-preußischen Justizbehörde ein bemerkenswertes Angebot unterbreitete: Die damals als Lagerhaus genutzte ehemalige Kirche am unteren Markt sollte abgerissen und das Grundstück dem Staat als Bauplatz für das neue Amtsgericht einschließlich Gefängnis verkauft werden. Die ersten Geschäftsräume des Amtsgerichts Neuss befanden sich bis dahin in einem Gasthof an der Krefelder Straße nahe dem Bahnhof, zeitweise aber auch im Rathaus der Stadt Neuss. Im Protokoll vom 22. Dezember 1884 heißt es:
„Stadtverordneten-Versammlung erklärt sich bereit, dem
Justizfiskus das städtische Zeughaus nebst dem
anschließenden Wegeterrain einschließlich der
Abschlussmauer am Marktplatz behufs Errichtung eines
Amtsgerichts-Gebäudes auf dieser Stelle in Verbindung
mit dem Terrain des jetzigen Gymnasiums zum Preise von
20 000 Mark zu verkaufen mit
der Bedingung, daß das
Zeughaus niedergelegt und das im Anschluß an das
neue Gerichtsgebäude projectirte Gefängnis nicht an
einer Straßenfronte errichtet wird.
An diese
Offerte hält sich die Stadt gebunden bis zum 1. Juli
1886. Der Antritt und die Zahlung des Kaufpreises
erfolgen, wenn der Justizfiskus die Offerte acceptirt
vom 1ten Januar 1887.
Der Bürgermeister wird zum
Abschluß eines bezüglichen Vertrages ermächtigt.“
Schließlich sollte es aber aus Kostengründen nicht zum Verkauf und Abriss des Zeughauses kommen. Die Kaufsumme erschien dem Landgericht nämlich zu hoch. Ebenso wie das alternative Angebot der Stadt für den Verkauf des Bauplatzes an der Breite Straße neben dem Gelände, auf dem der Grundstein für das neue Quirinus-Gymnasium (Ecke Kanalstraße) gelegt werden sollte.
Mit Verfügung vom 8. Juli 1886 ersuchte der Präsident des Landgerichts Düsseldorf das Amtsgericht Neuss allerdings zu prüfen, ob für den Neubau des amtsgerichtlichen Geschäfts- und Gefängnisgebäudes nicht ein günstigerer Bauplatz zu finden sei als jener von der Stadt zum Preis von 20.000 Mark offerierte. So wurden auch Überlegungen angestellt, das neue Amtsgerichtsgebäude ohne Grunderwerb auf dem an das Zeughaus angrenzenden Grundstück des alten (inzwischen königlichen) Gymnasiums am Freithof zu errichten, welches nach Fertigstellung seines neuen Gebäudes an der Breite Straße für die Justizverwaltung frei geworden wäre.
Letztlich fanden die langwierigen Verhandlungen ihren Abschluss in einem Tauschvertrag vom 5. April 1889: Im Einvernehmen mit der Unterrichtsverwaltung übertrug die Justizverwaltung der Stadt Terrain und Gebäude des ehemaligen königlichen Gymnasiums am Freithof und erhielt im Gegenzug das Grundstück an der Breite Straße sowie 6.422 Mark und 50 Pfennige. Im Jahre 1894 konnte das erste Amtsgerichtsgebäude an der Breite Straße bezogen werden. welches am 7. Januar 1889 eingeweiht wurde.
Das alte Zeughaus aber wurde auf Ratsbeschluss vom 8. Mai 1923 in einen Festsaal umgebaut, in das 1925 auch das Rheinische Städtebundtheater einzog. Unter Einbeziehung der benachbarten Anbauten am Freithof und nach Umbauten 1949, 1970 und 1998/99 entwickelte sich der denkmalgeschützte Kirchenbau zur heute unbestrittenen „Guten Stube“ der Stadt Neuss.