Eintrag 21128. Juni 1845Mit ganz gehorsamster Vorstellung vom 30. März 1844haben wir Ein Königlich hoher Finanz-Ministerium
bereits
von der gefährlichen Lage unterhalten, in welche die Ausführung
der verschiedenen in unsrer Nähe aufgekommenen Eisenbahn-
Projecte die Stadt Neuhs versetzen würde. Inzwischen fahren die Comités der Düsseldorf–Sittard–
Hasselter Bahn sowohl, als der Aachen–Gladbach–Neuhs–
Düsseldorfer Bahn mit ihren vorbereitenden Einleitungen
fort, um für den Fall der Concessionirung unverzüglich
zum Werke schreiten zu können. Durch den Stand ihrer Bevölkerung wie durch ihren
gewerblichen, und commerziellen Verkehr hat die Stadt
Neuhs eine solche Wichtigkeit erlangt, daß sie bei dem
einen und andere Projecte zum Sitz eines Bahnhofes
designirt ist, womit indessen der durch die Eisenbahn-
Anlagen sie bedrohende Nachtheil keineswegs entfernt
werden würde, da ihr bisheriger Handel auf dem Erft-
Canale und das auf die Schiffbarmachung desselben verwen-
dete bedeutende Capital auch dann noch gleichsam als
verloren anzusehen wäre. Das ganze künftige Schicksal unsrer Stadt wird
wesentlich von Entscheidung der Frage abhangen, welcher
Ausgangs-Punkt den beiden Bahnen gegeben wird, ob
am diesseitigen Rheinufer bei Düsseldorf oder am
Ufer des Erft-Canales in der Nähe von Neuhs. In dieser Beziehung haben die bisherigen
Wahrnehmungen,
insbesondre aber die Erfahrungen der beiden letztjäh-
rigen Rhein-Überschwemmungen so warnende Beispiele
aufgestellt, daß die betreffenden Eisenbahn-Directionen
schon im eigenen wohlberechneten Interesse der Actionaire
sich bewogen finden dürften, von der Wahl des Ausgangs-
Punktes bei Düsseldorf abzugehen, die aber auch uns
im Interesse der Stadt wie der Allgemeinheit bestimmen
müssen, Ein Königlich hohes Finanz-Ministerium mit Sobald der Rhein aus seinen Ufern
tritt, was in jedem
Jahre regelmäßig, und oft mehrmal geschieht, wird die von
der Eisenbahn zu durchlaufende Strecke vom Dorfe Heerdtbis an das Ufer bei Düsseldorf
auf die Entfernung von
ungefähr einer halben Stunde mehr oder minder unter Wasser
gesetzt, und es kann die Eisenbahn mithin nur über einen
in jener Richtung zu schüttenden Erddamm angelegt werden Wird dieser Erddamm auf eine
Höhe gebracht, daß er vor
dem bisherigen größten Wasserstande Schutz gewähren soll,
so kann dies nur auf eine Weise bewerkstelligt werden,
welche der Stadt Düsseldorf die offenbarste Gefahr bringt,
und die Sicherheit ihrer dem Rheine nahe liegenden Gebäu-
lichkeiten und Straßen bedroht. Es ist dies so allgemein an-
erkannt, daß die Königliche Regierung zu Düsseldorf der
Gemeinde Heerdt eben aus diesem Beweggrunde die Anlage
eines Dammes zum Schutze ihrer Ländereien nur auf
eine Pegelhöhe von 25 Fuß gestatten zu dürfen geglaubt
hat. Geschieht aber die Damm-Anlage nur auf eine Höhe,
von welcher man annimmt, daß dieselbe der Stadt Düs-
seldorf keinen Schaden verursachen werde, so wird die Eisen-
bahn bei einem nur etwas ungewöhnlichen Austritt des
Rheins überfluthet, und die Verbindung zwischen Heerdt
und Düsseldorf oft auf längere Zeit gänzlich unter-
brochen. Mag man endlich den Damm auf die eine oder
die andere Höhe anlegen, so läßt sich in keinem Falle
gewisse Rechnung darauf machen, daß er der Gewalt des
Stromes gehörigen Widerstand leisten werde. Wenn wir
es in diesem Jahre mit Schrecken erlebten, daß die Strö-
mung, ohne sogar von Eisgang begleitet zu sein, in der
Nähe von Düsseldorf einen von den solidesten Erdkörpern
aufgerichteten massiven Straßendamm an mehren Stellen
durchbrochen hat: so wird ein gleiches Loos bei den nicht
selten vorkommenden Eisgängen auch die Damm An-
lage für die Eisenbahn um so unfehlbarer treffen.
Wer in frühere Jahren nur Zeuge der Verherrungen
gewesen ist, welche Eisgänge in der Regel anzurichten
pflegen, wird es sich nicht verhehlen können, daß selbst
Dämme mit einzelnen Durchläßen, besonders bei der
ungünstigen Richtung, welche der Strom in der Nähe Eine solche Damm-Anlage würde demnach,
bei
nur etwas ungewöhnlichen Überschwemmungen und
Eisgängen, nicht einmal für die Dauer eines Jahres
die Garantie des Bestehens darbieten, und bei
eintretenden Zerstörung nicht nur die nutzlose Ver-
wendung enormer Summen, und die abermalige
Aufbringung gleicher Geldmittel nach sich ziehen, sondern
auch alle Jahre die regelmäßige Verbindung bis Düs-
seldorf, oft auf mehre Monate gefährden Allen diesen Inconvenienzen und Nachtheilen,
welche
nicht blos in das Reich der Möglichkeit gehören, und durch
die Erfahrungen der Folgezeit eine traurige Bestätigung
erlangen werden, würde auf einfachem Wege dadurch
vorgebeugt sein, wenn man die Eisenbahn statt bei Düs-
seldorf, am Erft-Ufer bei Neuhs auslaufen ließe, und
von hier aus Personen und Waaren mittelst Dampfschiff-
fahrt über den Erft-Canal und den Rhein nach Düsseldorf
befördert. Da auch in demjenigen Falle, wo die Eisenbahn bei
Düsseldorf ausläuft, der weitere Transport über den
Rhein nicht anders als durch eine Dampffähre erfolgen
kann, und daher auch durch eine neue Ein- und Ausladung
statt finden muß, so würde bei Benutzung des Erft-Canales
zum nämlichen Zwecke durchaus kein größerer Aufent-
halt entstehen. Die letztgedachte Verbindungsart würde
dagegen den unberechenbaren Vortheil mit sich führen, daß
man der jedenfalls ganz unsichere Eisenbahn-Damm-Anlage
zwichen Heerdt und Düsseldorf gänzlich abgegangen
werden könnte, und Unterbrechungen der Verbindung
durch Inondation nie zu besorgen wären. Für die Ge-
sellschaft würde dadurch ferner eine unermeßliche Erspa-
rung eintreten, die um so mehr die ernsteste Beachtung
verdient, als es sich hier nicht blos von dem ersten bedeu-
tenden Anlage-Capital, sondern auch von den in der
Zukunft unausbleiblich vorkommenden öftere Wieder-
herstellung der häufig der Zerstörung ausgesetzten
Damm-Anlage handelt. Endlich hat die vorgeschlagene neue Verbindung Wir verkennen
es keineswegs, daß der gegenwär-
tige, blos auf die gewöhnliche Stromschifffahrt be-
ruhende Zusatnd des Erft-Canales die Zwecke nicht
erfüllen kann, welche dessen Benutzung für eine
Dampffähre bedingt, und daß derselbe neben der nöthigen
Uferbefestigung noch ansehnlich erbreitet werden muß,
um gleichzeitig für die neue Bestimmung nutzbar ge-
-macht werden zu können. Die dadurch entstehenden
Auslagen sind allerdings nicht unerheblich. Die Stadt
Neuhs wird indessen, wenn die vorgeschlagene Ver-
bindung zu stande kommt vor keinem Opfer
zurücktreten, und alle ihre Kräfte aufbieten, um
die Ausführung des Projectes möglich zu machen. Eine gefahrlose, so wenig wie möglich
der Unter-
brechung ausgesetzte, und vor den Elementen ge-
schützte Verbindung mittelst der Eisenbahnen ist es
wohl unstreitig, worauf das auf die Benutzung
derselben hingewiesene Publikum mit Recht
Anspruch machen kann, und mit gleichem Rechte
darf daher der Staat von den Gesellschaften über
diesen wesentlichen Punkt sich die nöthigen Garan-
tien geben lassen. Die für das Publikum zu wünschende Sicher-
heit ist aber bei der Schüttung eines Dammes
zwichen Heerdt und Düsseldorf nicht vorhanden, da
die Erfahrung der frühere Zeiten, und besonders
die diesjährige Überschwemmung beider den deut-
,lichen Beweis geliefert haben, daß auch die
stärksten Erdkörper der Gewalt des austretende
Stromes nicht zu wiederstehen vermögen. Aus diesen Rücksichten glauben wir die ganz
In tiefsten Ehrerbietung
Neuhs, den 28. Juni 1845 Eines Königlich Hohen
Finanz-Ministerium
ganz gehorsamster
Bürgermeister und Stadtrath:
(Unterschriften.) An Ein Königlich Hohes Finanz-Ministerium
zu Berlin....