Die Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und das Überqueren des Rheins durch die Alliierten im Januar 1814 besiegelten das Ende der französischen Herrschaft über die linksrheinischen Gebiete und damit auch über Neuss. Für die Stadt bedeutete dies eine Zeitenwende: Neuss kam zu Preußen. Aus der Mairie im französischen Roerdepartement wurde nun eine Bürgermeisterei im Regierungsbezirk Düsseldorf innerhalb der neu geschaffenen preußischen Rheinprovinz.
Seit September 1814 tagte der Wiener Kongress zur Neuordnung Europas. Am 1. März jedoch gelang Napoleon die Rückkehr aus der Verbannung von der Insel Elba und er übernahm erneut die Macht in Frankreich. Der preußische König unterzeichnete kurz darauf, am 5. April 1815, also noch vor dem Abschluss der Verhandlungen in Wien, ein Besitzergreifungspatent für die Rheinlande. Dieses politische Geschehen in Europa bildete den Hintergrund für den Eintrag, den wir hier im Neusser Ratsprotokoll gefunden haben. Offensichtlich sorgten sich die preußischen Beamten vor Sympathiebekundungen für Napoleon und möglichen antipreußischen Maßnahmen in den rheinischen Städten. Daher wurden alle Bürgermeister aufgefordert, sämtliche in ihren Gemeinden „wohnhaften gebohrnen Franzosen“ vor dem Gemeinderat einen Eid ablegen zu lassen. Darin mussten sie schwören, keine Verbindung mit Frankreich zu unterhalten, die Anordnungen der alliierten Mächte zu befolgen und die Stadt nicht zu verlassen.
Der Neusser Stadtrat kam eigens zu diesem Zweck am 12. April 1815 zu einer Sondersitzung zusammen. 16 in Neuss lebende Franzosen sind im Ratsprotokoll namentlich genannt. Sie leisteten den Eid auf Französisch – wohl, damit man sicher sein konnte, dass der Wortlaut genau verstanden wurde. Interessant ist bei dem Eintrag aber nicht nur seine Zweisprachigkeit, sondern auch die Zweischriftigkeit: Üblicherweise geschahen die Einträge in die Ratsprotokolle in der deutschen Kurrentschrift – alle Personennamen und auch die französische Passage wurden jedoch in lateinischen Buchstaben geschrieben. Diese parallele Verwendung zweier unterschiedlicher Schriftarten war im 16. Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet aufgekommen.
Napoleons „Herrschaft der einhundert Tage“ endete mit dessen Niederlage in der Schlacht bei Waterloo am 22. Juni 1815. Die Zugehörigkeit von Neuss zu Preußen endete mit der Auflösung Preußens nach dem Zweiten Weltkrieg.