Band 45: Eintrag vom  13. Juli 1842 (Nr. 250)

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 

Von Tag zu Tag empfindet die Stadt Neuhs schmerzlicher den hemmenden Einfluß, welchen die Entbehrung eines eigenen Hauptsteuer-Amtes und der an den Besitz eines

[Nächste Seite] solchen geringsten Erleichterungen und Bevorzugungen der fortschreitenden Entwickelung des hiesigen commerziellen Verkehrs fortwährend entgegenstellt.

Eine wesentliche Umgestaltung der GewerbVerhältniße ist in der jüngsten Zeit mit der jüngsten Zeit mit der hiesigen Stadt vorgegangen. Mit einem bedeutenden KostenAufwande hat sie durch die unternommene vollständige Schiffbarmachung des Erftflußes sich eine regelmäßige Verbindung mit dem Rhein, und den Niederlanden gesichert; nach allen Richtungen hin ist sie von frequenten Chaußeen durchschnitten, und erst vor kurzem hat sie durch den nun vollendeten Bau der Straße nach Rheidt sich auch eine bis dahin vermißte Communikation mit der fabrikreichen Gegend von Gladbach, Rheidt, Vierßen, Odenkirchen pp geschaffen. Ihr Fruchthandel gilt für den bedeutensten am Niederrhein, und in der Oelfabrikation, welche zu Zeiten auch ansehnlichen SaamenBeziehungen aus dem Auslande veranlaßt, und sie von keinem andern Orte in der ganzen Monarchie überboten. Der Lage nach könnte sie daher aller Vortheile einer unmittelbaren den Rhein berührenden Stadt theilhaft werden wozu sich hier nach insbesondere der Anschluß an eine richtige industrielle Umgebung gesellen würde.

Wenn indeßen ungeachtet dieser günstigen Verhältniße die Stadt Neuß sich bisher nicht zu derjenigen Bedeutsamkeit des Handels mit steuerbaren Waaren hat erheben können wozu ihre geeignete Lage sie bestimmt zu haben scheint, so kann der Grund wohl nur darin gesucht werden, daß der Abgang eines HauptsteuerAmtes ihr die Mittel und Erleichterungen entzieht, unter deren Einwirkung allem Großhandel und bedeutende Speditions und Commissions-Geschäfte sich zu bilden, und zu erhalten vermögen.

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Allerdings würde die Stadt Neuß, welche durch die projetirte und hoffentlich bald ins Leben tretende Einrichtung einer Flachs-Maschinen-Spin nerei als Muster-Anstalt für die Rheinische Provinz einen neuen Zuwachs an gewerblichem Verkehr erlangen wird, wenn sie isolirt für sich da stünde, die Creirung eines Hauptsteuer-Amtes in ihrer Mitte in hinlänglichen Maaße vielleicht nicht begründen mögen, obschon mit der Bewilligung deßelben auch schon ihr ColonialwarenHandel eine sehr große, jetzt kaum denkbare Ausdehnung nach dem Innern des Landes gewinnen dürfte. Allein auch in die oben erwähnte Fabrik- und industriereiche Gegend von Gladbach, Rheidt, Vierßen pp, die Gegend von Grevenbroich und Wevelinghoven ist nach ihrer geographischen Lage auf die Benutzung dieses Hauptamtes hingewiesen, und da dieselbe einen sehr ansehnlichen Bedarf an Baumwolle, an Twisten, an Farbstoffen, an Colonial und andern steuerbaren Waaren bezieht, so wird dadurch im Allgemeinen ein so regsamer Verkehr hervorgerufen, daß die Errichtung eines Hauptsteuer-Amtes in der Stadt Neuß hier und dort als ein dringend gefühltes Bedürfniß erscheint. Zwar ließe sich einwenden, daß uns die Benutzung des HauptSteuer-Amtes in Düsseldorf bleibe; aber abgesehen von der größern Entfernung, tritt hier der wichtige Umstand ein, daß der Rheinstrom zu manchen Zeiten des Jahres Hindernisse für diese Benutzung darbietet, daß die ganze diesseitige Gegend nicht selten Monate lang durch Ueberschwemmungen und Eisgang von Düsseldorf gänzlich abgeschnitten ist, und daher zu großem Nachtheile des Handels und Verkehrs häufig jede Communikation vollends unmöglich wird. Die Errichtung eines Hauptsteuer-Amtes in der Stadt Neuß stellt sich daher nicht nur unter dem Gesichtspunkte eines Wunsches zur Belebung des dießeitigen Verkehrs, uns zur Erleichterung der Verbindungen mit der landeinwärts gelegenen Gegend dar, sondern sie macht sich

[Nächste Seite] auch als eine wirkliche Nothwendigkeit geltend um nicht zu Zeiten eine gänzliche Unterbrechung der Verbindung eintreten zu sehen.

Sind einmal der Stadt die Mitthel an die Hand gegeben, wodurch allein der Aufschwung zu größerer commerzieller Thätigkeit möglich ist, so wird auch das handelnde Publikum sich der dargebotenen Gelegenheit nach bemächtigen und es leidet dann keinen Zweifel daß in nicht ferner Zeit neue Großhandlungen hier entstehen, neue Fabrik-Anlagen ins Leben treten, und dadurch eine ungewöhnlich vermehrte Regsamkeit erzeugen werden, welche durch steigende Einnahmen der Zollgebühren, und durch die sonstigen mittelbaren und unmittelbaren Einwirkungen auch in finanzieller Hinsicht der Errichtung eines Hauptsteuer-Amtes nur lohnen können. Es darf bisher bei Beurtheilung des vorliegenden Gegenstandes nicht allein der gegenwärtige Zustand der Dinge ins Auge gefaßt, sondern auch vornehmlich derjenige in Erwägung gezogen werden, welchen die Zukunft unfehlbar bewegen wird.

Endlich liegt auch in der nachgesuchten Errichtung des Hauptsteuer-Amtes dadurch, daß sie den Großhändler Erleichterungen gewährt, und ihn in den Stand setzt, mit den Schleichhändlern in Concurenz zu treten, ein wirksames Mittel, dem durch die getroffenen Maaßregeln zwar verminderten, aber nicht gänzlich gehobenen Schleichhandel entgegenzutreten, und auch dadurch die Einnahme der Zollgefälle bedeutend zu erhöhen.

Alle diese Gründe haben den unterzeichneten Stadtrath nicht länger zurückhalten können Euerhochwohlgeboren den hier und in der ganzen Umgegend sich offenbarenden Wunsch ehrerbietigst vorzutragen, die Errichtung eines Hauptsteuer-Amtes mit Packhof am hiesigen Platze höchsten Ortes geneigtens befürworten, wenn solches aber wider Verhoffen nicht geschehen,

[Nächste Seite] könnte, als denn vermitteln zu wollen, daß dem hiesigen Untersteuer-Amtes in Verbindung mit einem Packhofe die Rechte eines Hauptsteuer-Amtes mit der Befugniß ertheilt werden mögen, Begleitscheine auszustellen, und zu dechergiren, in welchen beiden Fällen, die Stadt sich erbietet, die nötigen Lokalitäten zu dem Packhofe auf ihre Kosten herzugeben und einzurichten.

Eure Hochwohlgeboren werden alles, was die dargestellten Gründe Wichtiges und Erhebliches enthalten, gewiß nicht verkennen. Es spricht in jeder Beziehung so viel für das Gesuch, daß wir auf dessen Gewährung hoffen zu dürfen glauben. Zu dem größten Danke würde uns Euer hochwohlgeboren geneigte Mitwirkung zu diesem unser Stadt eine gesegnete Zukunft versprechenden Zwecke verpflichten.

In Gesinnungen hochachtungsvollen Verehrung

Neuss den 18. Juli 1842 der Bürgermeister und Stadtrath(:Unterschriften:)