Erklärung des Stadtrathes wegen Schiffbarmachung des NordCanals.
Nach dem der Stadtrath von Neuss der durch hohe Regierungs-Verfügung vom 17. April courant I. Seite III. N° 2405 angeregten vollständigen Schiffbarmachung des NordCanales mehre Sitzungen gewidmet hatte, trat derselbe heute zusammen, um über das Resultat der sorgfältig gepflogenen Berathungen seine schließliche Erklärung abzugeben.
Dem Inhalte des bezogenen Rescriptes gemäß ist die Aussicht eröffnet, daß die niederländische Regierung auf ihrem Gebiete den Nord-Canal bis Venlo, also in dieser Richtung ganz nach dem ursprünglichen Projecte, vollenden werde, wenn dagegen von Seiten unsers Gouvernements die Herstellung bis zum Rheine bei Grimlinghausen erfolge. Es handelt sich demnach um die Frage, ob die Ausführung dieses umfassenderm Projectes im Verhältniß zu der von dem letzten rheinischen Provinzial-Landtage angeregten Schiffbarmachung des Nord-Canales bis Graefrath wesentliche Vortheile und erhöhte Bedeutsamkeit darbiete?
Wie sehr auch das jetzt zur Sprache kommende umfassendere Project, durch seine Großartigkeit, und durch die Verwirklichung des ursprünglichen Bau-Planes auch dem ersten Augenblick für sich einzunehmen geeignet scheint, so hat der Stadtrath jedoch, bei tieferem Eindringen in die seither vielfach veränderten Verhältnisse, und die daraus hervorgehenden Folgen sich der Überzeugung nicht erwehren könne, daß die Ausführung der vollständigen Schiffbarmachung zwischen Maas und Rhein, weit entfernt, der Stadt Neuss Nutzen zu gewähren, dieselbe vielmehr mit unberechenbaren Verlüsten bedroht, ohne dagegen für das Gesammt-Interesse überwiegende Vortheile in Aussicht zu stellen. Der Stadtrath muß hier die Bemerkung voranschicken, daß zur Zeit des ursprünglichen Projektes des Nord-Canales die Erft von der Rheinmündung
[Nächste Seite] bis an die Stadt noch nicht schiffbar gemacht war, und das französiche Gouvernement bei dem Vorhanden sein dieser jetzt mit großen Kosten hergestellten Verbindung mit dem Rheine schwerlich entschlossen haben würde, dem Nord-Canale die Richtung nach Grimlinghausen zu geben.Würde nun die Ausführung des Nord-Canales zwischen Grimlinghausen und Venlo bewerkstelligt, so ergäbe sich daraus für die Stadt Neuss die höchst verderbliche Folge:
1., daß sie den Speditionshandel nach Rheydt, Gladbach und Viersen, und die ganze dortige Gegend zum größten Theile, und so zu sagen, gänzlich verlöre; 2., daß ihr Steinkohlenhandel, welcher gegenwärtig eine bedeutende Stelle in ihrem Handels-Verkehr einnimmt, und sich über eine große Umstrecke ausdehnt, künftig einzig und allein auf den Verbrauch der Stadt beschränkt bleibe; 3., daß die Schifffahrt auf dem Erft-Canale gleichsam ganz aufgehoben, und nur für das örtliche Bedürfniß, in dem unerheblichsten Maaßstabe, fortbestehen würde, und sohin
4., der Stadt nicht nur die ihr von des Königs Majestät bewilligten Erftschifffahrtsgebühren entgingen, sondern sie auch auf die Schiffbarmachung des Erft-Canales, mit Zustimmung der Oberbehörde, verwendete bedeutende Capital, welches zum größten Theile auch verschuldet wird, vollends einbüßen würde.
Bei gehöriger Erwägung dieser Verhältnisse wird Niemand es sich verhehlen können, daß die vollständige Ausführung des Nord-Canales zwischen Grimlinghausen und Venlo nicht allein die städtischen Finanzen in den kläglichsten Zustand bringen, sondern auch den hiesigen Handel ganz und gar vernichten würde. Die Stadt würde bei dem Unternehmen im eigentlichen Sinn des Wortes nur das leere Zusehen haben, indem die Schiffe, ohne anzuhalten, blos vorbeifahren würden, um zu ihrer Bestimmung landeinwärts zu gelangen. Die großen Geldopfer, welche die Stadt zu allmähliger Belebung ihres Handels gebracht hat, würden ganz vergeblich aufgewendet sein, und ihr bliebe das sichere Schicksal vorbehalten, daß sie wieder zu dem Range einer gewöhnlichen Land- und Ankerstadt herabsinken würde.
Die Auflösung des erst vor Kurzem mit bedeutenden Zuschüssen der Stadt hier errichteten Haupt-Steuer-Amtes
[Nächste Seite] würde eine andere Folge des Unternehmens sein, und so auch von dieser Seite der Stadt die empfindlichsten Verlüsten bereite.Es kömmt hierbei noch in Erwägung, daß auch das allgemeine Interesse in soweit gefährdet wird, als dadurch den ausländischen Maaßkohlen zum Nachtheil der Zechen des Inlandes eine Concurenz möglich gemacht wird, welche nur durch eine erhöhte Eingangs-Abgabe, oder durch höhere Kanalgebühren für die von der Maaß aufwärts gehenden Schiffe zu beseitigen wäre.
Indem der Stadtrath dennoch in der angeregten Schiffbarmachung des Nord-Canales zwischen Venlo und Grimlinghausen nur einen Ruin für den hiesigen Handel und die städtischen Finanzen erblicken kann, darher, wie der verehrten Oberbehörde begreiflich sein wird, im Interesse der von ihm vertretenen Stadt, nicht anstehen, zu erklären, daß er der also ausgedehnten Ausführung nicht zugethan ist, und daher auch jeden Beitrag zu derselben ablehnen muß, indem die Stadt durch letzteren nur ein helfendes Werkzeug zur Vernichtung ihrer eigenen Existenz abgeben würde. Der Stadtrath glaubt vielmehr die Überzeugung hegen zu dürfen, daß die verehrte Oberbehörde diesen seinen Einspruch als eine durch die Verhältnisse der Stadt gebotenen dringende Nothwendigkeit betrachten, und bei der endlichen Beschließung über diese Angelegenheit in die Wiegschale legen werden, indem derselben die Zukunft eines durch seine Bevölkerung sowie Lage und seinen jetzigen Verkehr nicht unwichtigen Ortes keineswegs gleichgültig sein kann.
Eben so wenig nimmt der Stadtrath aber auch Anstand, sich dafür auszusprechen, daß die Ausführung des Projectes wie dem sogenannten Epanchair bei Neuss bis Graefrath, wie solches von der letzten rheinischen Landtage beantragt wurden, dem Interesse der Stadt vollkommen zusagen würde, und daß er für diesen Fall fortwährend bereit ist, die früher in Aussicht gestellte Anlage einer Eisenbahn für Pferde vom Hessenthor, als dem Punkte, bis wohin die Erft Schiffbar ist,
[Nächste Seite] bis an den Nord-Canal auf städtische Kosten zu übernehmen, um dadurch eine bequeme und schnelle Verbindung zwischen dem Rheine respective der Erft und dem Nord-Canale zu Wege zu bringen.Der durch seine Nähe mit den localen Verhältnissen genau bekannte Stadtrath erlaubt sich noch in Ehrerbietung aufmerksam darauf zu machen, daß die Herstellung des Nord-Canales vom dem Epanchair bis Grimlinghausen mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde, indem die Ausführung des Projectes
1., neben der kostspieligen Austiefung der Canalstrecke zwischen der Kölner Landstraße und dem Rheine bei der Mündung an diesem Flusse den Bau einer massiven Schleuse, so wie den Bau einer andern Schleuse in der Nähe der Cölner Landstraße bedingt, deren Kosten man zu Zeit der französichen Regierung auf mehr als eine Million Franken anschlug;
2., aber auch die absolute Nothwendigkeit herbeiführen würde, zur Speisung des Nord-Canales daß auf die vielen städtischen Mühlen zufließende Erftwasser zum großen Theile in Anspruch zu nehmen, wodurch demnach also nicht nur eine bedeutende, in Gelde kaum anzuschlagende Entschädigung zu leisten wäre, sondern auch einer der ansehnlichsten Industrie Zweige der hiesigen Stadt, und in diesem zugleich die damit zusammenhängenden Gewerke wesentlich beeinträchtigt werden würden.
In Bezug auf den ersteren Punkt wär sodann auch zu bemerken, daß die Schleusen am Rhein durch den Eisgang stets der Gefahr der Beschädigung und sogar des Einsturzes ausgesetzt sein würden, wie denn schon früher einige dort von der französischen Regierung angelegte Bauten vor und nach vom Strom verschlungen worden sind.
Möchten nun aber die hier vorgetragenen, gewiß in hohe Grade berücksichtigungs werthen Verhälnisse und Einsprüche die Oberbehörde nicht bestimmen können, von der umfassenderen Ausführung des Nord-Canales zwischen Maas und Rhein zu abstrahiren, so würde der Stadtrath ehrerbietigst vorschlagen: die Verbindung mit dem Rheine in der Art nicht eintreten zu lassen, daß der Nord-Canal von Venlo bis an das Epanchair benutzt, von dieser Stelle aber an die Schifffahrt
[Nächste Seite]auf dem Erft-Canale bis in den Rhein fortgesetzt würde, und demgemäß die Strecke des Nord-Canales bis Grimlinghausen unausgeführt bleibe.
Wenn die Herstellung der letzten Strecke mit dem Bau einer massiven Schleuse am Rhein, welche noch außerdem den Verwüstungen des großen Stromes stets ausgesetzt wäre, sich nur mit enormen Kosten bewerkstelligen läßt, so würde dagegen der oben gemachte Vorschlag
1., durch die Fortsetzung der Schiffbarmachung der Erft vom Hessenthor bis an die Cölner Landstraße, wofür das Bett schon vorhanden, und nur ausgetieft, und erbreitet werden muß;
2., durch die Herstellung eines Grabens auf die unerheblichen, nur einige hundert Fuß haltende Strecke zwischen der Cölner Landstraße bis in den Canal nördlich des Epanchairs, und
3., durch Anlegung zweier Schleusen, wovon die eine am Nord-Canale, die andere an der Erft in der Nähe der Cölner Landstraße zu bauen wäre, mit größerer Sicherheit für das dauernde bestehen dieser Werke sehr gut zur Ausführung gelangen können.
Es ist wohl nichtig, daß auch die solchartige Ausführung auf Kosten führen wird, allein die dadurch entstehende Ausgabe wird, nach der Äußerung von Sachverständigen, kaum 1/3tel derjenigen Kosten erreichen, welche die Herstellung des Canales vom Epanchair bis in den Rhein in Verbindung mit dem dortigen Schleusenbau erfordert, und daher eine Ersparniß von wahren hunderttausend Thalern zu folge haben. Eine solche erhebliche Minder-Ausgabe verdient wohl um so mehr Berücksichtigung, als der Vorschlag des Stadtrathes zugleich den wesentlichen Vortheil darböte, daß das Wasser der Erft nur für die aufwärts fahrenden Schiffe momentan und unbedeutend in Anspruch genommen, und daher den Mühlen eine jedenfalls nur unbedeutende Entschädigung geleistet zu werden braucht.
In der Hauptsache würde aber bei diesem Vorschlage der Zweck, nämlich die Verbindung mit dem Rhein eben so vollständig erreicht, und dadurch end-
[Nächste Seite] lich auch der Vortheil gewonnen, daß durch die Benutzung des Erft-Canales ein graden mit keinem Umwege verbundenen Anschluß an die Cöln–Mindener und Düsseldorf– Elberfelder Eisenbahn bei der Neustadt oberhalb Düsseldorf zu Stande käme.Bei Ausführung dieses Vorschlages, welcher der Stadt Neuss auch keine Vortheile gewährt, würde der Stadtrath indessen zu möglicher Entfernung der sonst die Stadt bedrohenden Nachtheile sich nicht unbereitwillig finden lassen, zu der ad 1. erwähnten Schiffbarmachung des Erft-Canales vom Hessenthore bis an die Cölner Landstraße einen bei Verbindung der Kosten Anschläge noch näher zu bestimmenden angemessenen Geld, Zuschuß beizutragen, wogegen die Kosten ad 2. und 3. ausschließlich dem allgemeinem Fond zur Schiffbarmachung des Nord-Canales nur so billiger zu Last fallen würden, als dadurch gegen die Herstellung des Nord-Canales bis in den Rhein ein sehr bedeutendes Capital erspart wird.
Nach Darstellung aller dieser Verhältnisse bittet der Stadtrath schließlich Eine Königlich Hochlöbliche Regierung inständigst, bei der endlichen Entscheidung über diesen Gegenstand die Lage der Stadt Neuss wohlwollend zu Herzen zu nehmen und zu bedenken, daß von der Art und Weise der Ausführung ihre ganze Zukunft, der Ruin, oder das Aufkommen ihres Handels, mit einem Worte ihr Wohl und Wehe abhängen wird.
Unter diesem Gesichtspunkte kann nur die Ausführung des Projectes, wie solcher von den Landständen zwischen Neuss und Graefrath beantragt wurden, von ersprießlichen Nutzen für uns sind, und es wird daher auch vertraut, daß die Oberbehörde sich in ihrer Fürsorge für das Interesse der hiesigen Stadt und ihrer Bewohner, welche andernfalles einem sichern Ruin entgegen gehen, für das letzt gedachte Project hochgeneigtens entscheiden werde.
Actum ut supra
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