Band 45: Eintrag vom  11. Februar 1837 (Nr. 47 )

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 

Projectirte Anlage einer stehenden Rheinbrücke beibei Düsseldorf.

Wenn einem Gerüchte Glauben beizumessen ist, das lange verbreitet, täglich an Aussicht gewinnt, endlich in die Wirklichkeit überzugehen, so sieht die Stadt Neuhs sich in diesem Augenblicke von einem Verluste bedroht, welcher ihre schon jetzt gedrückte Lage noch mehr verschlimmern, ihre ganze Zukunft aufs Spiel setzen und sie an fruchtbringender Entwicklung ihres eben wieder auflebenden inneren Verkehrs für immer hindern wird. Es ist nämlich die von der Königlichen Regierung zu Düsseldorf projektirte Anlage einer stehenden Rheinbrücke an jener Stadt, welche die Gemüther der hiesigen Einwohner in die lebhafteste Beunruhigung versetzt, weil alle jene Nachtheile sich dem unbefangenen Auge als eine traurige, aber unmittelbare und gewisse Folge dieser neuen Einrichtung nothwendig aufdringen.

Durch unsre Stellung berufen für immer fortschreitende Wohlfahrt der Stadt und für mögliche Beseitigung der diesem Fortschreiten sich entgegenstellenden Hindernisse nach Kräften zu sorgen, würden wir unserem Amte und uns selbst zu fehlen glauben, wenn wir bei einem Vorgange, welcher die Lebensfrage dieser Gemeinde in sich faßt, ruhige Beobachter abgeben und nicht vielemehr die

[Nächste Seite] hier entscheidende verehrliche Oberbehörde, durch offene Darlegung der Verhältnisse in den Stand setzen wollten, die durch jenes Project auf das Höchste gefährdete Zukunft der hiesigen Stadt im wahren Lichte zu beurteilen.

Ew. Exzellenz werden mit uns die Pflichten dieser Stellung begreifen und daher auch mit gewohnter Nachsicht die gegenwärtige Vorstellung aufzunehmen geruhen.

Vor mehreren Jahren schon war der Stadt Neuhs ein empfindlicher Schlag durch die von der Königlichen Regierung über den Nordkanal gebaute Straße versetzt worden, welche mit gänzlicher Umgehung von Neuhs zwischen Düsseldorf und den gewerbereichen Orten Rheidt, Gladbach und Viersen eine bis dahin in dieser Richtung nicht bestandene neue Verbindung schuf. Die Einreden, daß diese Straße über den Nordkanal einen bedeutenden Umweg verursachen, daß sie bei ihrer durchgängig aus Moorgrund bestehenden Unterlage einen beträchtlichen KostenAufwand in der Anlage, und, wie die Erfahrung vollkommen bestätigt hat, einen noch größeren in der Unterhaltung erfordern werde, daß sie endlich auf der einen Seite vom Canale, auf der andern an tiefen Gruben ohne Geländer vorbeiführend, zu allen Zeiten, besonders aber in der Nacht, die augenscheinlichsten Gefahren darbiete, vermochten den Bau derselben nicht zu hindern, und so mußte dann das Interesse von jenem, welcher die neue Anlage der Stadt Düsseldorf eröffnete, ganzlich in den Hintergrund treten. Aber nicht nur in Neuhs, welches bis dahin auf anderm Wege auf den obgenannten Orten, und einem dahinter gelegenen Theile der Niederlande in Verbindung gestanden hatte, und diese Verbindung nunmehr größtentheils verlor, wurde der Bau dieser Straße mißfällig aufgenommen, sondern auch fast die ganze Umgegend vereinigte sich in dem Urtheile, daß die Anlage über den

[Nächste Seite] Nordkanal höchst unzweckmäßig sei und wirklich hat sich die Richtigkeit dieses von der öffentlichen Meinung im Voraus ausgesprochenem Urtheiles so sehr bewährt, daß die Straße ungeachtet der dann geschehenen vielen Verwendungen nicht in die gehörige Beschaffenheit kommen, schweres Fuhrwerk sie im Winter bei etwas anhaltender Regenwitterung nicht benutzen kann und gegenwärtig zu deren vorschriftsmäßigen Instandsetzung, wie es heißt, wiederum ein Kapital von 35000 bis 38000 Thaler verbraucht werden soll.

Die gänzliche Drangebung dieser Straße, deren Unzweckmäßigkeit in mancherlei Beziehungen die vorgesetzte Königliche Regierung in Düsseldorf nicht bestreiten wird, und der Bau eines neuen Verbindungsweges zwischen Neuhs, Rheidt und Gladbach über die Ortschaften Glehn und Giesenkirchen ist daher bis jetzt ein in hiesiger Gegend vorherrschender Wunsch geblieben. Von dem Beispiele der Stadt Neuhs angeregt, hatten sich alle dabei concurrierenden Gemeinden zur Übernahme der durch den neuen Straßenzug erforderlichen Grund-Entschädigungen und Planirungen angeboten, indessen ist auch hierdurch die Verwirklichung dieses Wunsches nicht zu erreichen gewesen, wenn gleich es scheinen möchte, daß die Verwendung des blos für die Instandsetzung der Canalstra- ße bestimmten ansehnlichen Fonds gebunden mit der durch die Gemeinden offerirten Grund-Entschädigung und Planirung den neuen Straßenzug schon ziemlich fördern, und der Vollendung nahe bringen müßte. Und dieser neue Straßenzug würde alle jene Nachtheile der Canalstraße nicht darbieten, er würde die Wegstrecke zwischen Rheidt und Neuhs auf einer Entfernung von etwa 2 1/2 Meilen im Interesse des öffentlichen Verkehrs um 1947 Ruthen abkürzen, er würde endlich, wenn auch für den Augenblick kostspieliger, doch auf die Dauer und auf längere Jahre berechnet, dem Staate im Gegensatz zu den Erfordernissen der Canalstraße keine unerheblichen pekuniären Vortheile und Ersparnisse gewähren. Durch den Fortbestand der Canalstraße schon empfindlich in ihrem Verkehr geschwächt, steht die Stadt Neuhs

[Nächste Seite] nun durch die projectirte Anlage der stehenden Rheinbrücke bei Düsseldorf im Begriffe, von aller und jeder Verbindung mit Rheidt, Gladbach, Viersen und der landeinwärts gelegenen Gegend vollendst abgeschnitten zu werden. Groß und fast nicht aufzuzählen sind die Nachtheile, welche die Ausführung dieses Projectes über unsre Stadt häufen würde. Die Einwohner jener industriereichen Gegend, welche jetzt noch mit unter die hiesige Stadt besuchen, würden von nun an sich ganz von ihr abwenden. Der theilweise noch über Neuhs gehende Handels-Verkehr zwischen den diesseitigen Landestheilen und dem Ber- gischen würde, mit gänzlicher Umgehung der hiesigen Stadt lediglich über jene Rheinbrücke seine Richtung nehmen und endlich würde auf den Fruchthandel, der fast noch einzige Handelszweig, welcher der Stadt Neuhs von so viellen frühern geblieben ist, mit der Zeit sich unfehlbar von hier entfernen und nach Düsseldorf hinziehen. Selbst die Schiffbarmachung der Erft, welche wir in diesem Augenblicke mit Aufwendung aller unsrer Kräfte betreiben, und nun bald glücklich zum Ziele geführt haben werden, hätte Zweck und Bedeutsamkeit verloren, und schwerlich würde die Stadt zu diesem Unternehmen, wovon sie eine verbesserte Zukunft hofft, je übergegangen sein, wenn ihr der Bau der stehenden Rheinbrücke zu Düs- seldorf als Gewißheit hätte vorschweben können.

Es ist daher auch nicht zu verwundern, daß die Stadt Düsseldorf, aus den nämlichen Ursachen, welche uns die Ausführung des Projects besorgen läßt, ihrerseits diese Ausführung dringend wünscht, und daher Alles aufbietet, um sich in den Genuß der ihr dadurch eröffneten günstigen Aussichten zu setzen. Wenn wir darum auch unserer größeren Schwesterstadt nicht verdenken mögen, daß sie aus gleicher Gesinnungen, die

[Nächste Seite] uns selbst beleben, ihre Lage zu verbessern strebt, so dürfen wir uns doch wohl die ehrerbietige Frage erlauben, ob diese Stadt, die Residenz eines fürstlichen Hofes, der Sitz der umfangreichsten Regierung in der Rheinprovinz und fast im ganzen Staate, der Sitz höherer Gerichtsstellen und einer großen Garnison, endlich ob eine durch so viele Anstalten und nützliche Einrichtungen bevorzugte, täglich an Glanz wachsende, bevölkerte Stadt so dringende Ursache hat, ihre noch größere Erhebung auf Kosten ihrer Nachbarn zu suchen, die von allen diesen Vortheilen nichts besitzt, die nichts für sich hat als ihren bisherigen geringen Verkehr, der ihr nun auch entzogen werden soll!

Unstreitig kann Düsseldorf von dieser Brücken-Anlage sich manche Vortheile versprechen, allein diese Vortheile sind mit den unsrer ganze Existenz bedrohende Verlusten nicht in eine Waagschale zu legen, da Alles, was nach Düsseldorf bestimmt ist, doch dieser Stadt nicht entgehen wird, es möge diese Brücke nun zu Stande kommen oder nicht, oder es möge diesselbe, worauf wir die besondere Aufmerksamkeit Ew. Exzellenz zu richten uns erlauben, etwa in veränderter Richtung an der Fähre zu Hamm angelegt werden.

Ferne sei es von uns, ein Urtheil darüber uns anzumaßen, ob die durch die Brücken-Anlage zu Düsseldorf bedingte nahmhafte Erhöhung der Straße zwischen dem sogenannten Heerdter-Lache und dem Dorfe Heerdt den in dieser Richtung heftige Hochfluten des Rheins den gehofften Widerstand wird leisten können, allein jedenfalls bleibt die Erhöhung dieser Straße, abgesehen von den Gefährlichkeiten, welche sie bei Eisgängen der Stadt Düsseldorf selbst bereiten würde, ein höchst gewagtes Unternehmen, dessen glückliche Lösung durch die in diesem Jahre bei nicht ganz hohem Wasserstand erlebte Haltbarkeit eines von der Gemeinde Heerdt vorläufig aufgeschütteten Erddammes nicht über alle Zweifel eines Mißlingens bei etwa stärkern mit größerem Wellenschlage

[Nächste Seite] begleiteten Hochfluten gestellt ist, und welches daher vor der Ausführung nach der sorgfältigsten Prüfung der Qualität und der umsichtigsten Berücksichtigung und Beachtung der in früheren Zeiten Statt gehabten Verheerungen des Stromes bedürfen möchte.

Der Stadt Neuhs, welche von der Königlichen Regierung gewissermaßen dazu angeregt und verpflichtet, zur Erleichterung ihrer Verbindung mit Düsseldorf und dem Bergischen Lande vor einigen Jahren zwischen hier und der Hammer-Rheinfähre mit einem Kosten-Aufwande von mehr als 12000 Thalern, aus eigenen Mitteln eine neue Straße angelegt und unterhalten hat, die mit den bestgebauten Chausseen zu wetteifern im Stande ist, würde, wenn jenes Projekt zur Ausführung käme, diese große Auslage umsonst verwendet haben. Sie wird aber von keinem fernern Opfer, mag dasselbe noch so bedeutend sein, zurückschrecken, wenn es sich um die Erhaltung ihrer bedrohten Existenz handelt, und so glauben wir denn im Namen der Stadt als verbindlich erklären zu dürfen, daß sie gerne bereit sein würde, entweder diese Straße auf die gewünschte Wasserhöhe zu bringen, oder eine ganz neue Straße, von dem hiesigen Oberthore ausgehend, bis zu der Hammerfähre aus eigenen Mitteln zu bauen, wenn die stehende Rheinbrücke Statt bei Düsseldorf, und jener Fähre angelegt werden wollte.

Vermittelst der in dieser Richtung angelegten Brücke würde die Stadt Düsseldorf im Vergleich zu ihrem jetzigen Zustande noch immer bedeutend gewinnen, und die Straßenstrecke bloß in dem kurzen Projecte? zwischen hier und Düsseldorf im Interesse des Publikums um mehr als eine halbe Stunde abgekürzt werden. Die Straße selbst wäre sicherer, zuverlässiger, nicht leicht einem Deichbruche ausge-

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setzt, dem Staate der bedeutende Geld-Aufwand für Erhöhung der Chaussee bei Heerdt erspart, und die Stadt Neuhs von einem sonst unausbleiblichen Ruin bewahrt.

Ew. Exzellenz bitten wir ganz gehorsamst diese Ansichten und Bemerkungen, wozu uns die theuersten Pflichten unserer Stellung aufgefordert haben, in Wohl= =wollen aufzunehmen, die mißlichen Lage der hiesigen Stadt, welche durch die Verwirklichung des vorliegenden Projectes, ihre Hoffnung sich je wieder erholen zu können, auf ein einfaches, von allem Verkehre mit dem fernern abgeschnittenes Landstädtchen reduzirt werden würde, gnädig zu beherzigen, und dem nach eine ihr künftiges Schicksal suchende und ihr allmähliges Emporkommen begünstigende hochgeneigte Entscheidung in der Sache zu nehmen.

In tiefster Ehrfurcht verharrend Ew. Exzellenz

An den Chef der p. p. Herrn Staats-Minister Rother Exzellenz zu Berlin