Der Gemeinderath war heute in außerordentlicher Sitzung versammelt, um über die Anlage einer Zweigbahnzwischen dem Bahnhofe der Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn und dem Erft-Canale respective dem Haupt-Zoll-Amte zu berathen.
Der vorsitzende Bürgermeister theilte den Stand der derfallsigen Verhandlungen mit, wobei als die wesentlichsten Momente hervorgehoben wurde, daß durch Beschluß vom 24. April 1854 der Gemeinderath sich bereit erklärt habe, der Eisenbahn-Direction außer der Terrain-Hergabe das Bau-Capital der Zweigbahn mit 44 000 Thlr disponibel zu stellen, wenn die Bedingungen wegen Verzinsung, Amortisations & Sicherstellung des Kapitales annehmbar erscheinen, daß darauf unterm 8. Juni 1855 noch vielen schriftlichen und mündlichen Anträgen jene Bedingungen von der Direction mitgetheilt worden seien, die aber nach den Beschlüssen vom 27. Juni und 30. Juli vorigen Jahres der Gemeinde-Vertretung nicht angemessen geschienen hätten, so daß man, da die gethanen Schritte in Aachen zur Erlangung günstigerer Bedingungen für die Ausführung des Unternehmens, fruchtlos geblieben waren, unterm letztern Datum beschlossen habe, höhern Orts den Versuch zu machen, annehmbare, gegenseitiger Billigkeit entsprechende Bedingungen zu erwirken, vorher aber den hiesigen Handelsstand respective bemittelte Private einzuladen, sich an dem Unternehmen in der Weise zu betheiligen, daß das erforderliche Capital, etwa zu 3/4 auf diesem Wege beschafft werde, und so das Ganze als ein Actiengeschäft zu betrachten sei, daß aber die zu dem Ende erlassene Einladung an die hiesige bemittelte Bürgerschaft das Resultat gehabt, daß nur 9 750 Thlr gezeichnet worden, während man gedachte, ca 3/4 der Kosten mit über 30 000 [rc] durch Zeichnungen von Privaten disponibel zu machen.
Über den Gegenstand wurde die Discussion eröffnet, und es gab sich hierbei, wie bei früherer Gelegenheit, entschieden die Ansicht kund, daß die Ausführung der Zweigbahn für den Aufschwung des Handels und Verkehrs hiesiger Stadt als eine Lebensfrage zu betrachten sei, bei deren glücklichen und baldigen Lösung die ersprießlichsten Folgen unausbleiblich sein werden. Gemeinderath hielt es, um der Verwirklichung des Projectes näher zu kommen für anräthlich, eine Deputation
[Nächste Seite] tation nach Berlin zur directen Unterhandlung mit Sr. Excellenz dem Herrn Handelminister zu entsenden, inzwischen war man sich nicht einig über die Grenze der dieser Deputation zu ertheilenden Vollmacht, da in dieser Beziehung divergirende Meinungen vorgetragen wurden. Es wurde demnach der Beschluß gefaßt, für heute jene Commission, welche aus dem Bürgermeister und zwei Mitgliedern des Gemeinderathes bestehen soll, zu dem Zwecke der Erwirkung möglichst günstiger Bedingungen für die Ausführung des Zweigbahn-Projectes zu wählen und in der nächsten Sitzung das Mandat derselben speziell festzustellen.Bei der hierauf vorgenommenen Wahl der beiden Mitglieder des Gemeinderathes, bei welcher der Gemeindeverordnete Hesemann sich der Mitwahl enthielt, wurden mittelst absoluter Majorität die Gemeindeverordneten H. J. Linden und Fr. Graeff gewählt.
actum ut supra
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