Band 59: Eintrag vom  22. August 1881 (Nr. 753)

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 
1. Vertrag mit der Scheibenschützengesellschaft.

Der Vorsitzende verliest den neu aufgestellten § 12 des Vertrages und erklärt sich die Versammlung mit der Fassung desselben einverstanden.

Der ganze Vertrag lautet wie folgt:

§ 1

Als Entschädigung für die entzogene Benutzung der alten Scheibenbahn wird der Scheibenschützengesellschaft resp. der aus derselben sich bildenden Actien-Gesellschaft auf die Dauer von 99 Jahren zur unentgeltlichen freien Benutzung respective zur Herstellung einer neuen Scheibenbahn ein Terrain in der Größe von 5940 qm längs dem Damm welcher am Schlachthause beginnt, bis zum sogenannten Querdämmchen überwiesen.

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§ 2

Ferner werden der im § 1 erwähnte Gesellschaft als Entschädigung für die auf die alte Scheibenbahn und das alte Scheibenhaus Seitens der Scheibenschützengesellschaft im Laufe der Jahre aufgewendeten Kosten zum Zwecke der Herstellung einer neuen Scheibenbahn und eines neuen Scheibenhauses a, 4 Morgen Terrain neben dem im § 1 erwähnten Terrain überwiesen und b, 3 Tausend Mark bewilligt.

§ 3

Die Auszahlung des in § 2 erwähnten baaren Zuschusses von 3 Tausend Mark erfolgt erst, sobald die neue Scheibenbahn und wenigstens ein provisorisches Scheibenhaus hergestellt sein wird.

§ 4

Die im § 1 erwähnte Gesellschaft hat vom Tage der Auszahlung des baaren Zuschusses von 3 tausend Mark denselben alljährlich mit im Ganzen 108 Mark der Stadt zu verzinsen, welche Summe denjenigen Betrag bildet, welchen die Scheibenschützen-Gesellschaft, solange sie die alte Scheibenbahn benutzte an die Stadt für auf die Herstellung des alten Scheibenhauses geleistete Zuschüsse zu zahlen hatte.

§ 5

Das in den §§ 1 und 2 der Gesellschaft für die Dauer von 99 Jahren zur unentgeltlichen Benutzung überwiesene Terrain bleibt Eigenthum der Stadt Neuss, welche auch die sämmtlichen Staats- und Communalsteuern davon zu entrichten hat.

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§ 6

Der Gesellschaft wird gestattet auf dem ihr überwiesenen Terrain Bauten für ihre Gesellschaftszwecke zu errichten, welche jedoch nach Ablauf der 99 Jahre in das volle und uneingeschränkte Eigenthum der Stadt Neuss übergehen.

Während der 99 Jahre hat die Gesellschaft nicht nur sämmtliche Reparaturen und Erhaltungkosten dieser Bauten, sondern auch sämmtliche darauf entfallenden Staat- und Gemeindeabgaben, sowie auch die Feuerversicherungsbeträge zu tragen.

§ 7

Die Gesellschaft hat während der 99 Jahre alle Unterhaltungskosten der Scheibenbahn zu tragen, ist auch verpflichtet, falls im Laufe dieser Jahre Seitens der Landespolizeibehörde Abänderungen der jetzt zu treffenden Einrichtungen oder sogar noch weitere Sicherheitsmaßregel verlangt resp. vorgeschrieben werden sollten, diese für ihre alleinige Rechnungen auszuführen.

Die Stadt wird durch Ueberweisung des in den § § 1 und 2 [Zeichen für Einschub] sowie durch Zahlung des baaren Zuschusses von 3 Tausend Mark von jeglicher weiteren Beitragsleistung, unter welchem Titel sie auch immer verlangt werden möge bezüglich des neuen Scheibenhauses und der neuen Scheibenbahn während der 99 jährigen Dauer des gegenwärtigen Vertrages vollständig liberirt.

[Einschub:] erwähnten Terrains Zusatz von zwei Wörtern geenehmigt [gez.] Ridder [gez.] H A Hesemann [gez.] B.Josten [gez.] W.Richen

§ 8

Sollte es der Gesellschaft durch eine Verfügung der Landespolizeibehörde dauernd unmöglich gemacht werden, die Scheibenbahn zum Abhalten von Schießübungen benutzen zu können, so soll die Stadt nicht gehalten sein, der Geselllschaft eine neue Scheibenbahn zu stellen.

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Die Gesellschaft soll jedoch während der noch laufenden Jahre des gegenwärtigen Vertrages die Berechtigung haben, die aufzuführenden Anlagen und Bauten, sowie das überwiesene Terrain, letzteres jedoch nur durch Abschneiden der Gras?e?s?enz zu benutzen.

§ 9

Wenn die Stadt das in den § § 1 und 2 erwähnten Terrains zu Gemeindezwecken bedürfen sollte, worüber ausschließlich die Stadtverordneten-Versammlung zu entscheiden hat, so soll die Stadt verpflichtet sein, der Gesellschaft vorher nicht nur eine neue Scheibenbahn an einer anderen möglichst ebenso gelegenen Stelle herzustellen, sondern auch die Kosten der aufgeführten Gebäulichkeiten, letztere jedoch nur bis zum Maximalbetrage von 10 000 Mark zu erstatten, welcher Betrag jedoch nur zur Aufführung von neuen Bauten auf der neuen Scheibenbahn verwendet werden darf.

Für das in § 2 erwähnte, alsdann mit abzutretende Terrain wird die Gesellschaft von der Stadt durch ein anderes Terrain angemessen entschädigt.

§ 10

Falls die im § 9 erwähnte Eventualität eintritt, so sollen bezüglich dieser neuen Scheibenbahn und der neu aufzuführenden Bauten dieselben Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages, wie bezüglich der abgetretenen gelten mit der Maßgaabe jedoch, daß das Vertragsverhältniß noch so viele Jahre währt, als als denn von den 99 Jahren noch nicht verflossen sind.

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§ 11

Sollte die Gesellschaft sich selbst auflösen oder durch einen Act der höheren Behörde aufgelöst werden, so geht die Scheibenbahn und die dort errichteten Gebäulichkeiten in die unbeschränkte Benutzung und in das unbeschränkte Eigenthum der Stadt Neuss über. Als Selbstauflösung wird es angesehen, wenn die Zahl der Mitglieder sich so weit vermindert, daß dieselbe nicht mehr als 25 beträgt.

§ 12

Wenn bei der Selbstauflösung oder bei der Auflösung der Gesellschaft durch einen Act der höheren Behörde noch Gesellschaftsschulden vorhanden sein sollten, so bleiben dieselben im Falle inzwischen 99 Jahre seit der Benutzung der Scheibenbahn und der dort errichteten Gebäulichkeiten verflossen sein sollten zu Lasten der Gesellschaftsmitglieder. Sind diese 99 Jahre jedoch noch nicht verflossen, so soll die Stadt Neuss die Wahl haben entweder für die noch laufenden Jahre die Gesellschaftsgläubiger bis zu ihrer vollständigen Befriedigung in die Benutzungsrechte der Gesellschaft eintreten zu lassen mit der Maßgabe jedoch, daß die Gesellschaftsgläubiger alsdann auch alle aus diesem Vertrage entspringenden Verpflichtungen der Gesellschaft der Stadt gegenüber zu erfüllen haben und dieses Benutzungsrecht auf alle Fälle, auch wenn die Gesellschaftsgläubiger alsdann noch nicht vollständig befriedigt sind nach Ablauf von 50 Jahren erlischt, oder aber das Scheibenhaus und die in den §§ 1 und 2 erwähnten Terrains in eigener Verwaltung zu nehmen. Wählt die Stadt das letztere, so soll sie gehalten sein, den Ueberschuß der Einnahmen aus der Verwaltung des

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Scheibenhauses und der überwiesenen Terrains über die Ausgaben zur Befriedigung der Forderungen der Gesellschaftsgläubiger alljährlich nach dem Verhältniß der einzelnen Forderungen zu verwenden mit der Maßgabe jedoch, daß diese Verpflichtung unter allen Umständen, selbst wenn die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger noch nicht vollständig befriedigt sein sollten, nach Ablauf von 50 Jahren von der Uebernahme der Verwaltung angerechnet, erlöschen soll.

Wählt die Stadt das erstere, so soll sie dessen ungeachtet berechtigt sein, zu jeder Zeit gegen Befriedigung der noch vorhandenen Gesellschaftsschulden die sämmtlichen Anlagen der Gesellschaft in eigene Benutzung zu nehmen.

Wird den Gesellschaftsgläubigern das Benutzungsrecht eingeräumt, so sollen dieselben gehalten sein, alljährlich der Stadtverordneten-Versammlung über Einnahmen und Ausgaben aus der Verwaltung der Gesellschaftsanlagen genaue Rechnung zu legen.

§ 13

Die Genehmigung der Königlichen Regierung zu Düsseldorf zu gegenwärtigen Vertrage bleibt vorbehalten. Herr Rosellen gab folgendes Separatvotum zu Protocoll. Festhaltend an der Ansicht, daß der Schreibenschützen-

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Gesellschaft in ihrer bisherigen Verfassung dafür, daß dieser Gesellschaft die Benutzung der ihr von Alters her zur immerwährenden ungestörten Benutzung überwiesenen Stadtgrabens seiner Zeit entzogen wurde, eine entsprechende Entschädigung gebühre, darin bestehend, daß ihr von seiten der Stadt anderweit ein den Zwecken der Gesellschaft dienendes und ausreichendes Terrain überlassen werde, unter fernerer Bewilligung eines Baarzuschusses zur Herstellung der neuen Schießeinrichtung muß ich doch gegen Abschluß eines Vertrages vorliegender Form Protest erheben.

Derweil der Stadt gegenüber ein gesetzlich qualifizirter Contrahent nicht vorhanden ist, indem die bezüglichen Anträge eines theils einseitig ohne Mandat der Gesellschaft vom derzeitigen Vorstande derselben gestellt worden, anderntheils aber auch die Gesellschaft selbst keine Corporationsrechte besitzt und daher rechtsgültige Verträge überhaupt nicht abschließen kann.

2) weil in den verschiedenen Bestimmungen des Vertrages, ganz besonders aber in der Ueberweisung von Terrain weit über das Bedürfniß der Gesellschaft hinaus eine schwere Schädigung des Gemeinintersses liegt.

3) weil ich der Ansicht bin, daß die bisherigen Statuten der Scheibenschützengesellschaft in ganz wesentlichen Puncten, unter andern bezüglich Rechte des zeitigen Bürgermeisters, Privilegien verschiedener Art etc. in die Statuten der in Aussicht genommenen Actiengesellschaft schwerlich aufzunehmen sein würden. Sollte nun, was doch vor Bildung der Actien-Gesellschaft

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geschehen müßte, die Auflösung der alten Scheibenschützengesellschaft erfolgen, so fielen folgerichtig die unentgeldlichen Terrainsüberweisungen und sonstige Concessionen nicht der bisherigen privilegirten Scheibenschützengesellschaft, sondern einer neuen Gründung zu; dazu aber liegt nicht die geringste Veranlassung vor.

Herr Franken gab ebenfalls ein Separatvotum folgenden Inhaltes zu Protocoll.

Der größte Theil der Mitglieder des Stadtverordneten-Collegiums sind auch Mitglieder der Scheibenschützengesellschaft, deshalb sehe ich mich veranlaßt, nochmals wie ich auch schon in der Sitzung vom 1. August courant gethan habe, den § 44 des GemeindeGesetzes anzuführen, nach welchem diejenigen Mitglieder des Gemeinderathes sich der Abstimmung zu enthalten haben, welche ein von dem Interesse der Gemeinde verschiedenes Interessse haben, und protestire hiermit, wie ich auch schon bei Eröffnung der heutigen Sitzung gethan habe, gegen die Zulassung zum Abstimmen derjenigen Herren, welche zugleich Mitglieder der Scheibenschützengesellschaft sind, sowie ich auch gegen den Vertrag mit der Scheibenschützengesellschaft protestire, da derselbe gegen das Interesse der Stadt und nur im alleinigen Interesse der Scheibenschützengesellschaft gehalten ist resp. zum Vortheil einer sich noch zu bildenden Actien-Gesellschaft, deren Mitglieder sehr wahrscheinlich frühere Mitglieder der Scheibenschützengesellschaft sein werden.

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Zudem kann der Vertrag auch nicht rechtskräftig abgeschlossen werden, weil die Gesellschaft keine Corporationsrechte hat.