Band 52: Eintrag vom  16. Juli 1860 (Nr. 663 )

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 
6. Ausführung der Erft-Melioration.

Die stadträthliche Commission für Bauwesen berichtete heute über diejenigen Schritte, welche die Stadt, gegenüber den von der Erft-Meliorations-Gesellschaft angeordneten Bauten in der Höhe der Erftschleusen zu Selikum im Interesse der städtischen Mühlen zu thun haben dürfte.

Die Stadt in ihrer Eigenschaft als Besitzerin mehrerer Mühlen besitzt im Verein mit den hiesigen Privat-Mühlenbesitzern das Recht der Benutzung des ganzen Erftwassers von oberhalb Selikum bis Neuß und es sind demgemäß vermittelst des zu Selikum solche Vorkehrungen getroffen, daß die Stadt nur das überflüssige Wasser respective die Hochfluthen, und zwar über ein in dem rechten Erftarme zu Selikum be- findliches Wehr und durch eine in der Nähe gelegenen, auf Grimlinghausen zu führende Schleusenabtheilung abfließen läßt. Damit dieses Recht nicht geschmälert werde, befinden sich

[Nächste Seite] sich die Aufziehschlüssel der Schleusen zu Selikum in Händen der Stadt respective der Privat-Mühlenbesitzer, und so vermögen auch nur diese allein über das Erftwasser zu disponiren.

Die Erft-Metiorations-Gesellschaft beabsichtigt nun, wie in Erfahrung gebracht worden, zur schnellen Absicherung von etwaigen, in der Folge möglicherweise häufiger kommenden Hochwasser, neben dem fraglichen Wehr noch eine besondere Schleuse anzulegen, deren Beaufsichtigung und Öffnen und Schließen einem Beamten der Gesellschaft übertragen werden soll. Hierdurch wäre das Gerechtsame der Stadt respective der Privatmühlenbesitzer jedenfalls sehr beeinträchtigt, weil sie nicht mehr über das Erftwasser verfügen könnten, ihnen vielmehr möglicherweise außer dem Hochwasser nöthiges Mühlenwasser entzogen werden könnte, sei es in Folge Unzuverläßigkeit des betreffenden Aufsehers, sei es im Folge des Zustandes der Schleuse selbst, welcher nicht immer die erforderliche Dichtigkeit zeigen möchte. Sowohl von Seiten der Stadt als der Privatmühlenbesitzer ist, in soweit durch die baulichen Arbeiten zu Selikum die Wasserbenutzung geschmälert werden könnte, gerichtlicher Protest erheben werden,worauf inzwischen von der Gesellschaft nicht einmal Aufschluß über die Art und Weise der auszuführenden Arbeiten erteilt werden.

Im Verlaufe der Zeit ist das für die Mühlen bestimmte Erftwasser jedoch auf so mannigfache Weise geschmälert worden, daß die Stadt und die Privatmühlenbesitzer es für ihre ernste Pflicht erkennen müssen, weiteren Beeinträchtigungen etgegen zu wirken.

Zunächst war es die vor etwa 30- 40 Jahren von der StaatsRegierung geschehene Erniedrigung des Wehres zu Selikum um anderthalb Fuß, wodurch das Wasser häufiger als früher über das Wehr, auf Grimlinghausen zu abläuft. Ferner wird der Erft vieles Wasser durch die in den jüngsten Jahren geschehenen Anlagen von Wiesen-Bewässerungen entzogen, und nicht minder geht viel Wasser dadurch verloren, daß die höher belegenen Mühlen das Wasser häufig auf unberechtigte Weise stauen, und bei dem dann folgenden plötzlichen Schleusenziehen das Wasser so schnell foranströmt, daß ein Theil davon über das Wehr auf Grimlinghausen zu abfließt. Ein beträchtlicher Wasserverlust ist endlich für die Neußer Mühlen dadurch entstanden, daß mit der Niers- und Nord- Canal- Entwässerung der Erft das ganze Nord-Canal- und Krur- Wasser entzogen ist.

Allen diesen Thatsachen gegenüber müssen die Stadt und die Privat- mühlenbesitzer wohl darauf bedacht sein , die ihnen zustehenden Rechte bei der Benutzung des Erftwassers nach allen Seiten hin zu wahren.

Was um die von der Erftmeliorations-Gesellschaft projectirte neue Schleuse auf einem Nebenarme der Erft oberhalb Selikum betrifft, so spricht die Commission die Ansicht aus, daß es noch nicht feststehe, daß überhaupt in Folge der Erftmelioration eine fernere Schleuse nöthig erscheine, zumal bei dem Vorhandensein einer erst im Jahre 1849 erbauten neuen Ablaßschleuse bei Neuss, daß die event.

[Nächste Seite] eventuell Nothwendigkeit vielmehr erst noch den zu machenden Erfahrungen sich herausstellen werde. Halte die Erftmeliorations-Gesellschaft aber aus Vorsicht eine weitere Einrichtung zur Ablassung des Hochwassers für zweckmäßig, so sei der hohen Regierung zunächst zur Erwägung zu geben, ob diese Einrichtung nicht am besten nach vorheriger Erweiterung der auf dem nach Neuß führenden Erftarme zu Selikum gelegenen Schleusen durch geeignete Anlagen mit der Nähe hier bei Neuss etwa durch Ausführung einer Fluthschleuse respective an der Cölner Chaussee vor dem Oberthore zu treffen sein möchte. Durch diese besser zu controllirende Einrichtung hier in der Nähe bei Neuss werde überhaupt für die hiesigen Mühlen weniger Wasser verloren gehen als wenn jene Einrichtung bei Selikum getroffen werde, weil im ersten Falle die ganze Obererft von Epanchoir ab als Wasser-Reservoir diene. Die Commission schlägt demnach weiterhin vor, bei der Königlichen Regierung zu beantragen, jedenfalls solche Maßregeln ausführen zu lassen, wodurch dies Recht der Stadt und der Privatmühlenbesitzer, über das Erftwasser verfügen zu können, nicht beeinträchtigt werde, auch über die angeregten anderen Übelstände nähere Prüfung und eventuell Abhilfe zu veranlassen.

Die Stadtverordneten-Versammlung erhebt die Vorschläge der Commission mit dem Zusatze zu ihrem Beschlusse, daß die Königliche Regierung gebeten werde, nicht eher Erftbauten zu Selikum ausführen zu lassen bis der Stadt die Pläne und Zeichnungen zur Kenntnißnahme vorgelegt worden, damit die Stadt hiernach eventuell ihre Anträge spezieller begründen könne.

actum ut supra