Band 47: Eintrag vom  15. August 1844 (Nr. 125 )

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 

Die gehorsamst unterzeichneten Bürgermeister und Stadtrath der Stadt Neuss wenden sich an Eure Exzellenz um Hochdenselben ihre Bitten hinsichtlich der von Düsseldorf über hier nach Sittard und Hasselt projectirten Eisenbahn, so wie auch derjenigen, welche von Düsseldorf über hier nach Aachen projectirt ist, vorzutragen.

Die erstere Bahn, die Düsseldorf–Sittard–Hasselter, ist von dem letzten Rheinischen-Provinzial-Landtage befürwortet worden, und ihre Ausführung ward nicht nur in Düsseldorf, sondern auch hier und in den Kreisen Gladbach, Erkelenz, Heinsberg, und Geilen- kirchen gewünscht, weil man auf diese Weise in eine nähere Eisenbahn-Verbindung mit Belgien gekommen

[Nächste Seite] wäre, als die über Cöln es sein kann. Man erkannte jedoch nicht, daß die Verwirklichung dieses Planes auf wesentliche Hindernisse stoßen und in jedem Falle eine lange Verzögerung erleiden werde, weil sie das Gebiet dreier verschiedener Staaten berührt, und einer derselben (Holland) obgleich tractatenmäßig verpflichtet, die Ausführung zu leisten, kein Interesse für, wohl aber ein solches gegen diese Anlage hat; deshalb hat man nie ein sonderliches Vertrauen gehabt, daß diese Bahn hergestellt werde. Dieselbe hat außerdem einen großen Mangel. Sie bietet für den innere Verkehr, mit Ausnahme der Verbindung von Düsseldorf und Neuss mit Gladbach und Rheydt, gar nichts dar, indem sie zwischen Gladbach und Hasselt, auf einer Länge von ungefähr eilf Meilen, keinen einzigen irgend wesentlichen Verkehrs-Punkt berührt.

Als nur vier Monaten dagegen in Gladbach der Plan angeregt wurde, zur Verbindung von Düsseldorf und Neuss mit dem belgischen Eisenbahn-Systeme eine Bahn nach Aachen zu bauen, hat derselbe hier und überall in den interessirten Kreisen des linken RheinUfers den wärmsten Anklang gefunden. Man begriff sofort, daß, wenn zwischen zwei Plänen zu wählen sei, dieser letztere den Vorzug verdiene, daß diese Eisenbahn schnell ausgeführt werden könne, weil man nur dazu die Genehmigung des eigenen Gouvernements bedarf, und daß hier nicht allein die Verbindung von Düsseldorf nach Neuss mit dem belgischen Eisenbahn-Systeme, sondern s zugleich eine vielfach wichtige innere Eisenbahn-Verbindung hergestellt werde; eine Verbindung der Rheinfähre Düsseldorf und Neuss nicht nur mit Gladbach und Rheydt, sondern auch mit den fruchtbaren Kreisen Erkelenz, Jülich und Geilenkirchen, und den beträchtlichen Städten Aachen und Burtscheid, während für diese letztere die Verbindung mit jenen Kreisen, mit Neuss und Düsseldorf von ebenso großtem Werth ist. Hierzu gesellt sich noch der gewichtige Umstand, daß durch diese Bahn die Steinkohlen aus dem Inden- und dem Wurm-Reviere den Consumenten in den mehrgenannten Kreisen billiger als bisher zugeführt werden könne.

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Diese Bahn wird also nicht nur die Bedürfnisse des Verkehr mit Belgien, sondern auch die großen innere Verkehrsbedürfnisse befriedigen; sie wird dies noch um so mehr, als die dafür zusammengetretene Gesellschaft, wie aus dem gehorsamst beigefügten Statut derselben hervorgeht, und wie wir außerdem aus sicherer Quelle erfahren haben, den innere Verkehr durch Anlage von Zweigbahnen nach den der Bahn nahe gelegenen Städten befördern will. Wäre im vorigen Jahre die Angelegenheit schon in ihrer dermaligen Lage gewesen, so daß – wie heute – die zwei Pläne vorgelegen hätten, so möchte schwerlich das damalige Votum des Rheinischen ProvinzialLandtages hinsichtlich der Düsseldorf–Sittard–Hasselter Bahn erfolgt sein, weil offenbar der neuere Plann allseitigere und größere Interessen befriedigt, als der frühere. Nur in der Stadt Düsseldorf scheunt man den Sittard-Hasselter-Plan noch vorzuziehen, indem man sich nicht den Bestrebungen zur Ausführung des andere angeschlossen hat, dies letztere wahrscheinlich deshalb, weil man innerlich fühlt, daß der letztere Plan practischer und besser, als der frühere ist. Nur in den Orten Rheydt und Eschweiler hat man sich gewissermaßen der Düsseldorfer Ansicht angeschlossen, indem man einen Concurrenz-Gesellschaft gebildet hat, welche den Plan der Verbindung der RheinischBelgischen-Bahn mit Düsseldorf und Neuss dem Plan der Düsseldorf-Sittard-Hasselter-Bahn unterordnet. Dieser selsame, einzeln dastehende Umstand rührt notorisch nur von individuellen und partikulären Ansichten oder Interessen her.

Eure Exzellenz bitten wir hiernach ganz gehorsamst: daß hochdieselben die Ausführung des Anfangs unter dem Namen: "Aachen-Gladbach-NeusserEisenbahn", jetzt unter dem Namen "Westliche Verbindungs-Eisenbahn" projectirten Unternehmens hochgeneigt befördern, und die Ausführung desselben nicht von derjenigen der Düseeldorf–Sittard–Hasselter Bahn abhängig zu machen geruhen möge.

Wenn Belgien, wie dasselbe neuerlich beschlossen

[Nächste Seite] haben soll, wirklich die Ausführung einer Bahn von Hasselt nach Düsseldorf verlangen sollte, so wird dieser Zweck im allgemeinen Interesse aus den oben angegebenen Gründen ohne Zweifel am besten und zweckmäßigsten erfüllt, wenn dieser Bahn von Hasselt aus die Richtung auf Maes- tricht gegeben wird, und dann vermittelst der Aachen-Maestrichter-Bahn, und der damit in Verbindung zu setzenden und über Herzogenrath zu führenden westlichen VerbindungsEisenbahn nach Neuss und Düsseldorf zu gelangen. Hierdurch würde nur ein Umweg von ungefähr drei Meilen bewirkt, der aber durch die größere Vortheile einer durch innere Verkehr belebten Bahn auszugleichen und für die Transporte von Belgien hierher unschädlich ist, weil dieselben der Natur der Sache nach einen niedrigen Tarif bedingen, welcher auf einer Bahn, die viel innere Verkehr hat, auch leicht gewährt werden kann.

Deshalb bitten wir noch ganz gehorsamst: daß Eure Exzellenz bei den Verhandlungen mit Belgien und Holland wegen einer Eisenbahn von Hasselt nach Neuss und Düsseldorf darauf zu bestehen geruhen mögen, daß dieser Bahn die Richtung über Maestricht in der vorstehend angegebenen Weise gegeben werde.

In tiefster Ehrfurcht verharren wir Eure Exzellenz Neuss, den 15. August 1844 ganz gehorsamste Bürgermeister und Stadtrathe von Neuss (Unterschriften:) An den Königlich Wirklichen Geheimen Staats-und Finanzminister Herrn Flottwell. Exzellenz in Berlin