Band 59: Eintrag vom  12. April 1880 (Nr. 335)

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 
12. Wasserwerk.

Der von der Commission festgestellte Entwurf zu dem Vertrage mit demIngenieur Scheven aus Bochum über das Wasserwerk wird vorgetragen und von der Versammlung in allen Theilen genehmigt. Der jetzige Vertrag mit der Frau Wwe Fischer über die Vermiethung der Windmühle beschließt Versammlung zu kündigen. Der Entwurf lautet, wie folgt:

§ 1. Die Stadt Neuhs ertheilt dem Herrn Scheven die Concession zur Wasserversorgung und verpflichtet sich, keinem Anderen die Concession zu ertheilen, auch selbst auf eigene Rechnung kein Wasserwerk zu bauen.

§ 2. Die Stadtgemeinde hat dem Herrn Scheven alles für die Pumpwerks- und Sammel-Anlage erforderliche Terrain dieses jedoch nur in einer Größe von höchstens zwei Morgen miethweise und unkündbar so lange die Stadt das Wasserwerk nicht übernommen hat, gegen Zahlung einer jährlichen Miethe von 30 Mark pro Morgen zur Disposition zu stellen.

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Das zur ersten oder späteren Herrichtung der Leitungen erforderliche Terrain stellt die Stadtgemeinde unentgeldlich, soweit es sich um die zu benutzenden Communalwege handelt. Die Stadtgemeinde verpflichtet alles zu thun, um bei der Provinzial-Verwaltung die Erlaubniß zur Benutzung der Bezirksstraßen behufs der Herrichtung der Leitungen für sich resp. den Herrn Scheven zu erhalten. Sollte die ProvinzialVerwaltung diese Benutzung an besondere Bedingungen knüpfen, so sind solche auch für den Herrn Scheven maßgebend.

§ 3. Die Stadt Neuss stellt den an der Tonhalle befindlichen Festungsthurme unentgeldlich zum Ausbau für Aufstellung eines Reservoirs zur Verfügung. Sollte der Thurm, der Eigenthum der Stadt bleibt, nicht mehr zu Zwecken des Wasserwerks benutzt werden, so geht derselbe wiederum in die unbeschränkte Benutzung der Stadt Neuhs über.

§ 4. Die Stadt Neuss beschafft alle Concessionen für Ausführung der erforderlichen Boden- und Wasseruntersuchungen unentgeltlich.

§ 5. Die Stadt Neuss verpflichtet sich dem Unternehmen nach allen Richtungen hin förderlich zu sein und ihren Schutz angedeihen zu lassen.

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§ 6 Die Stadt Neuhs befreit das Unternehmen für immer an der Communaleinkommensteuer.

§ 7 Alle Kosten der für Feuerlöschzwecke, sowie zur Bewässerung der Straßen, auszuführenden Anlagen, sowie auch deren Unterhaltung und Reparaturen hat die Stadt Neuss zu tragen.

§ 8 Der Ingenieur Herr Heinrich Scheven verpflichtet sich, dies erforderlichen Bohr- und Pumpversuche, sowie die Untersuchung des dadurch gewonnenen Wassers sofort, nach Abschluß des Vertrages in Angriff nehmen und die Kosten hierfür allein zu tragen.

§ 9 Bei günstigem Ausfall der Analysen hat der Ingenieur Herr Scheven der Stadt Neuss ein definitives Project und Kosten-Anschlag zur Genehmigung vorzulegen, wonach die Arbeit noch im Laufe dieses Jahres in Angriff zu nehmen und spätestens bis Ende nächsten Jahres fertig zu stellen ist. Die Stadt muß innerhalb 14 Tagen nach Uebergabe des Projectes und Kostenanschlages, ihre Erklärung bezüglich der Genehmigung abgeben.

§ 10 Nach Fertigstellung der ganzen Anlage und auch

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während der Ausführung soll der Stadt Neuss das Recht zustehen, sich von der Güte der Materialien und der kostenanschlagsmäßigen Ausführung zu überzeugen und hat sich zu diesem Zwecke mit dem Ingenieur Scheven über einen Sachverständigen zu einigen.

§ 11 Die Ausführung der Privatzuleitungen bis an die Grenzen der Grundstücke wird von dem Ingenieur Scheven, soweit die Anmeldungen zur Wasserentnahme vor Beginn der Arbeiten eingehen unentgeltlich für den Anschlußsucher ausgeführt, sind dagegen von den sich später meldenden Consumenten zu bezahlen, gehen aber in das Eigenthum des Herrn Scheven über.

§ 12 Die Abgabe des Wassers soll Seitens des Herrn Scheven zu den Tarifsätzen des Wasserwerkes der Stadt Mülheim a/Rhein als Maximal-Preis erfolgen, dessen Herabsetzung von Seiten des Ingenieurs Scheven nach seinem eigenen Ermessen erfolgen kann.

§ 13 Das für Feuerlöschzwecke erforderliche Wasser hat Herr Scheven unentgeltlich abzugeben; für alle öffentlichen Gebäude der Stadt zahlt die Stadt nach Tarif, und zwar soll die an verschiedenen Stellen gezogene Wassermenge zusammengerechnet und von der ganzen Summe der tarifmäßige Rabatt in Abzug gebracht werden.

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Bezüglich des Wassers zu sonstigen Zwecken als Bewässerung der Straßen und Speisung der Fontainen soll eine besondere Vereinbarung stattfinden.

§ 14 Dem Ingenieur Scheven soll das Recht zustehen, das Wasserwerk und die damit verbundene Concession für die Wasserversorgung der Stadt Neuss an jeden Dritten abzutreten, doch soll die Stadt Neuss das Recht haben, hiergegen Einsprache zu erheben, wenn nachweislich das communale oder öffentliche Interesse dadurch geschädigt wird, worüber im Streitfalle die Entscheidung der Königlichen Regierung maßgebend sein solll.

§ 15 Herr Scheven verpflichtet sich auf Antrag der Stadt Neuss jede Erweiterung des Röhrennetzes vorzunehmen, sobald die Stadt Neuss einen Netto-Ertrag für die Summe des Erweiterungsbaues von 4 1/2 Prozent garantirt.

§ 16 Die Stadt Neuss ist verpflichtet das Wasserwerk käuflich zu übernehmen, sobald nachgewiesen ist, daß die Einnahmen für verkauftes Wasser außer den Betriebskosten soviel Prozente des Anlagecapitals betragen als zur Verzinsung des von der Stadt dem Herrn Scheven leihweise herzugebenden AnlageCapitals einschließlich der dem Herr Scheven

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für seine Bauleitung zugebilligten zehntausend Mark und zur Amortisation mit jährlichs 1 % erforderlich sind und hat die Stadt Neuss dem Herrn Scheven die Kosten der Ausführung welche nach Fertigstellung des ganzen Werkes festzustellen sind, mit einem Zuschlage von 15 Prozent bei Ablauf des ersten Betriebsjahres zu zahlen, welcher Prozentsatz sich nach Verlauf jeden weiteren Jahres um 2 Prozent jährlichs bis zum Maximum von 25 Prozent jährlich .

Als Erneuerungsfonds sind vom zweiten Betriebsjahre an 2 Prozent jährlichs von der Bausumme bei Uebernahme des Wasserwerkes Seitens der Stadt Neuss in Abzug zu bringen.

Alle stattgehabten Erneuerungen bis zur Uebernahme des Wasserwerkes Seitens der Stadt Neuss sind selbstverständlich von diesem Erneuerungsfonds in Abzug zu bringen, jedoch dürfen die im ersten Jahre stattgehabten Erneuerungen von diesem Fonds nichts in Abzug gebracht werden.

§ 17 Frühestens 1 Monat und spätestens 2 Monate, nachdem Herr Scheven schriftlich erklärt haben wird, das Wasserwerk rentire nunmehr in der im § 16 gedachten Weise, der Zeitpunkt der Uebernahme Seitens der Stadt für somit gekommen, beginnt mit Anfang eines Kalendermonats ein Controlljahr.

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Zu Anfang und zu Ende dieses Kontrolljahres wird nach den gleichen Grundsätzen genaue Bilanz gezogen. Während des Kontrolljahres und bei Aufstellung der Bilanzen hat ein Angestellter der Stadt oder mehrere das Recht, jeder Zeit Zutritt zu allen Anlagen und Einsicht in die Bücher zu verlangen. Den mit der Kontrolle Beauftragten steht kein Eingriff in die Geschäftsführung zu. Die Kosten zu der Kontrolle zahlt die Stadt, falls das Werk von ihr übernommen werden muß. Im anderen Falle trägt dieselben der Unternehmer. Die Stadt Neuss verzichtet, während des Controlljahres Vergrößerung des (§ 15) Rohrnetzes zu fordern.

Die Stadt ist ebenfalls berechtigt zu jeder Zeit das Controlljahr für ihre alleinige Rechnung anfangen zu lassen. Die Stadt kann aber auch vom Kontrolljahre ganz abgesehen und das Werk 3 Monate nach schriftlicher Anzeige übernehmen.

§ 18 Die Stadt Neuss stellt dem Ingenieur Herrn Scheven das zum Bau des Wasserwerkes erforderliche Capital zur Verfügung gegen eine der Stadt genügende Bürgschaft für Capital & Zinsen, welche von Herrn Scheven zu stellen ist und gegen Verzinsung von vier Prozent pro anno.

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Das Capital wird in Raten in Gemäßheit des Fortschreitens des Baues gezahlt.

§ 19 Die Genehmigung der Königlichen Regierung zu Düsseldorf bleibt vorbehalten.