Die Betreffende Commission hatte sich mit Berathung über die zur Spache gebrachte Angelegenheit wegen der Einquartirung eine Bataillons Infanterie in hiesiger Stadt befaßt, in welcher Beziehung dieselbe zunächst von einem durch das landräthliche Amt mitgetheilten Schreiben eines Commissairs des GeneralCommandos des 7. Armee-Corps d. d. Münster den 1. Merz 1860 Kenntniß genommen, wornach es Absicht der obere Militairund Civil-Behörden ist, nach Vollendung der Reorganisation der Armee und zwar zum 1. Mai dieses Jahres ein Bataillon Infanterie als permanente Garnison nach Neuß zu verlegen. Nach Inhalt des gedachten Schreibens bestehen die Erfordernisse für ein Bataillon in Folgenden:
1. Natural-Quartier ohne Verpflegung für die Manschaften, 2. Räumlichkeiten für 40 Kranke, 3. Eine Wache von 13 Mann, 4. heizbare und sichere Arrestlokale, 5 Zellen, 5. Fünf sichere Montirungskammern, 6. Drei Handwerksstuben, 7. Ein Gelaß zur Aufbewahrung der verschiedenen Wagen und Karren, 8. Platz zur Aufstellung eines Pulverkastens, 9. Ein kleiner Exerzierplatz für Detail-Übungen, 10. ein größerer Exerzierplatz, 11. Vier Schießstände, 12. Lokale zur Abhaltung des theoretischen Unterrichtes, 13. Ein gefahrloser Bade- und Schwimmplatz, 14. Ein Allarmplatz zum Sammeln des Bataillons und zur Abhaltung der Wachtparade, 15. Räumlichkeiten in der Kirche.
[Nächste Seite] Um den Bürgern die Last der Einquartirung zu erleichtern, heißt es in seinem Schreiben weiter, dürfte es sich empfehlen wenn Seitens der Stadt Menagen eingerichtet würden, wozu indessen die nöthigen Räumlichkeiten und Utensilien unentgeldlich hergegeben werden müssen. Noch vortheilhafter werde es sein, wenn es der Stadt gelänge, größere Räumlichkeiten zu ermiethen, in welchen die Manschaften in Kasernenmäßiger Weise untergebracht werden können. Am Schlusse besagt fragliches Schreiben, daß darüber ob und wann eine Caserne gebaut werde, vorläufig noch nicht bestimmt werden könne. Die Entscheidung sowohl über den Bau der Caserne überhaupt als auch über den Zeitpunkt der Ausführung werde vielmehr wesentlich davon abhängen, in welcher Weise die Stadt Neuß bereit sei, dem MilitairFiskus mit entsprechenden Offerten entgegen zu kommen.Die Commission glaubt nach geschehener Berathung des Gegenstandes, der Stadtverordneten-Versammlung folgende Erklärung als Erwiderung auf die Mittheilung des Commissars des General-Commandos zur Annahme empfehlen zu müssen: " die Unterbringung eines Bataillons Infanterie in ermie" theten Räumen hierselbst sei gänzlich unmöglich, weil es an " den hierzu erforderten Lokalen durchaus mangle; die" jenigen Räumlichkeiten, worauf allenfalls hingewiesen " werden könnte, und welche von der Commission in Augenschein " genommen werden, beständen theils in einer bretternen " Tonhalle, welche nicht zum Einkaserniren geeignet sei, theils " in Speicherräumen, welche in ihrer jetzigen Beschaffenheit ebenfalls " dazu unpassend seien, abgesehen davon, daß solche für den " Geschäftsbetrieb hiesiger Gewerbetreibenden unentbehrlich seien " und daher einstweilen nicht einmal disponibel gemacht " werden können.
" Anlangend die Einquartirung des Bataillons bei den " Bürgern, so vertraue die Stadt Neuss, daß von dieser " Maßnahme in Anbetracht der vielen und steten Einquarti" rungen, welche dieselbe seit einer Reihe von Jahren " getragen, während andere ebenso bedeutende oder " größere Städte entweder nur wenige oder gar keine " Einquartirung getragen haben, wohlwollend Abstand " genommen werde. Sie glaube sogar, daß die bedeu" tenden Einquartirungen, die die Stadt Neuß seit " langen Jahren betroffen haben, eine Verlegung des ihr " nunmehr zugedachten Bataillons nach einem andre Orte, " welcher Neuß gegenüber bisher gleichsam mit derartigen " Lasten verschont gewesen ist, in vollstem Maaße " rechtfertigen.
[Nächste Seite] Außerdem schlägt die Commisssion vor, in motivirten Eingaben an die Königlichen Ministerien des Innern und des Krieges und an das Abgeordnetenhaus den Antrag auf Aufhebung der Maßregel zu stellen.Bei der Berathung und Debattirung des Gegenstandes wird von dem Stadtverordneten Sommeran Stelle der Commissionsanträge folgender Antrag gestellt und zu Protokoll gegeben:
" In Erwägung, das aus dem uns durch die Kreisbehörde " übermittelten Schreiben des General-Commandos zu Münster " hervorgeht, daß letzteres beabsichtigt, mit dem 1. Mai courant " ein Infanterie-Bataillon von ca 500 Mann auf unbestimmte, " und somit voraussichtlich auf lange Zeit in Neuß einzu" caserniren, - hierzu aber der Militairbehörde die nöthigen " baulichen und sonstigen Einrichtungen fehlen;
" In Erwägung, daß an die Stadtverordneten die Zumuthung " gestellt wird, Einrichtungen zu treffen, daß das Bataillon " entweder bei den Bürgern ohne Verpflegung das heißt ohne Ver" gütung, oder in von der Stadt auf ihre Kosten gegen " eine kaum nennenswerthe Servis-Vergütung zu miethende " und zur disposition zu stellende Räumlichkeiten [seiner Zeit ?] unter" gebracht werden könne;
" In Erwägung, daß - abgesehen von den großen einmaligen " Einrichtungskosten solcher Räume, und den sich jährlich wieder" holenden Zuschüssen und Opfern für die Stadt, denen nach " den gemachten Erfahrungen ein auch nur annähernder " Vortheil nicht zur Seite steht - die Stadt Neuss factisch " nicht in der Lage ist, die von ihr beanspruchten Räum" lichkeiten - es sei denn zwangsweise und mit bedeutenden " Entschädigungen an die Besitzer - anschaffen, und zur Disposition " stellen zu können;
" Daß sie also gezwungen sein würde, eventuel die Truppen " bei den Einwohnern der Gemeinde Neuss unterzubringen respective " einzuquartiren;
" In Erwägung aber, daß dies den Bewohnern der Gemeinde " Neuss furchtbare, selbst unerschwingliche Opfer auferlegen hieß, " die bei einem noch so billigen Satze (:3 Sgr pro Mann und Tag:) " einen Betrag von 18000 Thlr pro Jahr und für fernere Kosten " der alljährlich zu erwartenden 14 tägigen Übungen von " ferneren 500 Mann Reservisten noch eine Summe von " 700 Thlr pro anno erreichen würden;
" In Erwägung hiernach, daß die Gemeinde Neuss seit langen " Jahren und zwar durch stabile Haltung des Landwehrstammes
[Nächste Seite] "Ca. 40 Jahre," durch fast alljährige Einziehung des 39. Landwehr-Bataillons und der " Cavallerie-Eskadron zur 14 tägigen Übung ca 30 Jahre, " durch viele Truppen-Durchmärsche, abgesehen von Mobilmachungen " und zuletzt durch die Einquartirung der Recruten und Reser" visten des 39. Landwehr-Bataillons vom 1. September 1839 bis " Februar 1860, welche Letztere nachweislich 8 - 9000 Thlr gekostet " hat,
" große Summen von ihren Bewohnern fordern mußte, und diese " somit zahlreiche Beweise für ihren patriotischen Sinn und für ihre Opferwilligkeit zum Wohle des Vaterlandes unermüdlich " lieferten, trotzdem nur von ihnen, nicht aber von den übrigen " Bewohnern des Kreises Neuß, noch des Bezirks des 39. " Landwehr-Bataillons respective den Kreisen Grevenbroich, Gladbach " und theilweise Solingen und Iserlohn, und ebenso wenig " von den übrigen größeren Städten des linksseitigen Nieder" rheins gleiche Beweise gefordert wurden, indem dieselben " im Gegentheile während obiger Jahre fast gänzlich mit Ein" quartirung verschont blieben;
" Zur Erwägung endlich, daß die neuerdings an die Gemeinde " Neuß gestellten Zumuthungen behufs Aufnahme respective Einka" sernirung eines Bataillons Infanterie auf Gott weiß: " wie lange Zeit, ohne die mindeste Garantie einer baldigen " und theilweisen Entschädigung für die früher gebrachten " Opfer durch Erbauung einer Caserne für 1000 Mann, " vorliegen;
" daß aber die Gemeinde Neuß in Anbetracht der obigen facta " bei der bevorstehenden neuen HeeresformationHerresformation billiger " Weise viel eher eine gerechte Berücksichtigung als eine " abermalige Belastung und Benachtheiligung hätte erwarten " müssen;
" Aus diesen Gründen Tritt an die Stadtverordneten die " ernste Pflicht dringend heran: genau zu untersuchen und sich die Überzeugung zu verschaffen, ob die Einwohner der Gemeinde Neuß nach Recht und Gesetz - ausnahmsweise und gegen so viele andere Staatsangehörigen - verpflichtet sind, für die Eincasernirung eines Bataillons-Infanterie Sorge zu tragen, und diese Kosten zum bei Weitem größten Theile auf sich zu nehmen" " zu welchem Ende die Stadtverordneten-Versammlung beschließen " mögen.
an eine Königliche Regierung das ergebene Gesuch zu stellen, " uns Aufklärung in dieser Sache zu geben, unter Angabe
[Nächste Seite] " des betreffenden, auf diese Fälle anwendbaren Gesetzes, eventuell zu bean" tragen; " daß falls sich, so unglaublich auch scheinen mag, eine " derartige Überbürdung einer einzelnen Gemeinde so vielen " Andere gegenüber aus der bestehenden Gesetzgebung rechtfertigen " oder interpretiren lassen sollte, es einer Königlichen Regierung " gefallen wolle, im Interesse und zum Schutze unserer Gemeinde " nicht allein, sondern zur Stärkung und Erhaltung des " Rechtsbewußtseins in unseren Staate bei einem hohen " Ministerie die geeigneten Schritte zur Theilung dieses Übel" standes zu thun, und bei der bevorstehenden Berathung der " neuen Heeresformation für eine Gesetzesvorlage " betreffende die gleichmäßige Verteilung der Einquar" tirungslasten respective die gleichmäßige Heranziehung " aller Staatsangehörigen zu deren Kosten, " die geeigneten Anträge zu stellen, bis zum Erlasse eines " solchen Gesetzes aber ihren ganzen Einfluß geltend zu machen, " um endlich einmal die Gemeinde Neuss vor einer " Einquartirungslast gewahrt zu sehen, was sie durch die " Opfer der vergangenen Jahre reichlich verdient zu " haben glaubt.Stadtverordneter Graeff stellt den Antrag, diesen motivirten Antrag des Stadtverordneten Sommer der betreffenden Commission zur Prüfung zu überweisen, worauf von der Versammlung eingegangen wurde.
actum ut supra