Band 47: Eintrag vom  30. März 1844 (Nr. 82 )

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 

Antrag an den Staats- und Finanz-und Finanz- MinisterMinister v. Bodelschwing auf Conzessionierung der Eisenbahn Zwischen Neuss und Aachen.

Neuss den, 30. März 1844.

Durch die vielen Eisenbahn-Projecte, welche während der jüngsten Zeit in unserer Nähe aufgetaucht sind, für unsere Handel, und die ganze Zukunft unserer Stadt auf das Lebhafteste beunruhgt, wagen wir es Ew. Exelenz, zu Höchstwelcher mir in Hinblick auf frühere nähere Verhältnisse noch immer gerne und vertrauensvoll Zuflucht nehmen, unsre aus der bevorstehenden Gestaltung der Dinge geschöpften Besorgnisse und Befürchtungen ehrfurchtsvoll vorzutragen.

Es giebt wohl keine Stadt in der Provinz, welche, gleich der unsrigen, im Verhältniß zu ihrem Umfange so viele Kräfte aufgeboten, so viele Opfer gebracht hat, um hinter den gestiegenen Forderungen der Zeit nicht zurück zu blicken, und ihren Bewohnern alle diejenigen Vortheile zuzuführen, welche aus unten und vielfachen Verhinderungsmitteln entspringen.

Vom Rheine, der in frühern Jahrhunderten unsre Mauern bespülte, durch ungünstige Natur-Ereignisse abgeschnitten, und in unserm Handel gleichsam auf den innern Verbrauch allein beschränkt, hatten wir zunächst die Aufgabe, durch die Schiffbarmachung des Erft-Canales unsre Verbindung mit jenem Strome sicher zu stellen, und dadurch den

[Nächste Seite] tief gesunkenen Wohlstand der Stadt allmählig wieder zu heben. Dieses wichtige Werk, welches Ew. Exellenz entstehen, weisen und vollenden sahen, nahm vier Jahre hindurch den ganzen Aufwand unsrer Kirche in Anspruch, und verursachte der städtischen Kämmerei die bedeutende Auslage von 82459 Thalern 3 Silbergroschen 5 Pfennig, welche zum größeren Theile noch als Kapitalschuld auf uns lastet. Wir halten dabei vorzüglich die Belebung unsers Steinkohlenhandels, und die Aufrechthaltung einer ununterbrochenen Communikation mit der Ruhrgegend im Auge, von an aus dieses Brennmaterial uns zugeführt wird.

Für sich isolirt dastehend konnte das unter den grösten Anstrengungen zu Stande gekommene Werk indessen den nachhaltigen Nutzen acht gewähren, den wir daraus zu hoffen berechtigt wären, wenn wir nicht zugleich Bedacht genommen hätten, uns landeinwärts neue Verbindungswege zu öffnen, um mittels derselben der zugeführten Waare auch nach außen hin Abfluß zu verschaffen. Aus der Erkennung dieses Bedürfnisses entsprang, außerdem, daß wir in einer Reihe von Jahren alle unsre Communalwege mit großen Kosten chausseähnlich in Stand gesetzt haben, die Idee zum Bau der für die ganze Gegend wichtigen Straße zwischen Neuss und Rheydt, bei welchem unsre Stadt sich mit der bedeutenden Summe von 22568 Thalern 3 Silbergroschen 4 Pfennig betheiligte, deren successive Tilgung ihr zum großen Theile ebenfalls noch obliegt.

Mit den Gefühlen des tiefsten Dankes sprechen wir es aus, daß wir in diesen Bestrebungen bei unserer Staats-Regierung großmüthige Unterstützung fanden. Wir erfuhren einen neuen Beweis dieses Wohlwollens, als im vorigen Jahre des Königs Majestät auf Ew. Exellenz wirksame Verwendung in unsrer Mitte die Errichtung eines HauptSteuer-Amtes anzuordnen geruhte, dessen Begründung durch Herstellung der Nöthigen baulichen Einrichtungen die Stadt abermal zu einer Ausgabe von mehr denn 11000 Thalern führte, die gleichfalls noch verschuldet sind. Kaum aber beginnen wir von diesen großen Anstrengungen einige Früchte zu ziehen, kaum können wir getrost in eine bessere Zukunft blicken, als plötzlich der aufgekommene Plan einer Eisenbahn-Ver-

[Nächste Seite] bindung zwischen Ruhrort, Crefeld, Gladbach und Rheydt, wodurch uns der landeinwärts gerichtete Steinkohlen- und sonstige Handel unwiderbringlich entzogen wurden würde, alle diese Hoffnungen und Aussichten mit einem Schlage zu vernichten droht.

Unter so mißlichen Verhältnissen, welche für unsre Stadt eine wahre Frage des Lebens oder des Unterganges in commerzieller Beziehung bilden, ist uns nur übrig geblieben auch unserseits Mittel aufzuführen, wodurch diese uns so verderblichen Folgen jener Eisenbahn-Verbindung geschwächt und unwirksam gemacht werden können.

Im Vereine mit den Städten Aachen und Glad- bach glauben wir dieses Mittel in einer Eisenbahn zwischen den genannten Städten zu finden, indem uns vermittelst dieser Verbindung die Möglichkeit geboten ist, die auf dem Wasser-Transporte von der Ruhr bezogenen Steinkohle nach der Gegend von Gladbach und Rheydt ebenso wohlfeil, und sogar auch um Einiges billiger zu liefern, als dies auf der Crefeld - Ruhrorter Bahn durch Beziehung jenes Materiales aus den Zechen von Essen p der Fall sein kann.

Die eine eben so wohlfeile Beziehung der Steinkohlen für Crefeld über Ürdingen bei den dort zu treffenden Anordnungen in fast sichern Aussicht gestellt ist, so würde sich die Crefeld–Ruhrorter Bahn, welche nur mit der gänzlichen Vernichtung des Steinkohlenhandels in Mülheim an der Ruhr, Ürdingen und Neuss zu Stande gebracht wurden kann, für jene Zwecke als vollends entbehrlich erwiesen.

Mit entschiedener Wärme hat sich daher die Stadt Neuss zur Abwehr der ihr drohenden Verlüste und das Eisenbahn-Project zwischen Aachen, Gladbach und Neuss ungeschlossen, und wir kommen daher Ew. Exellenz ehrfurchtsvoll zu bitten, für diese Eisenbahn-Verbindung, welche überall großen Anklang findet, für denjenigen Fall, daß die CrefeldRuhrorter Eisenbahn genehmigt würde, Allerhöchsten Ortes seiner Zeit ebenfalls die Concession gnädigst aus zu wirken, indem nur dadurch die Wirkungen der uns so sehr nachtheiligen Crefeld–Ruhrorter

[Nächste Seite] Bahn paralisirt werden können.

Wenn aber wider alles Erwarten die Aachen, Glad- bach -Neusser Eisenbahn von deren beabsichtigter Errichtung Ew Exellenz bereits bereits vorläufig in Kenntniß gesetzt sind, und auch die projectirte SittardDüsseldorfer-Bahn, welche jedenfalls unsre Stadt berühren müßte, die Zustimmung des Gouvernements nicht erlangen möchte, so würden wir für unsre Stadt nur auf ein Mittel des Heils in einer einfachen Localbahn zwischen Neuss und Gladbach finden, wofür sich hier und in der Umgegend die lebhaftesten Sympathien aussprechen, wofür lediglich durch wirkliche Beiträge der Betheiligten die Mittel leicht aufzubringen sind, und für welche wir dann eine Concessionirung eventuell in Anspruch zu nehmen uns erlauben.

Immitten der sich durch kreuzenden vielen Eisenbahn Projecten, welche eine gänzliche Umgestaltung der Dinge herbeizuführen, und bestehende, theuer erkaufte Existenzen auf Einmal zu zerstören drohen, haben wir das Bedürfnis gefühlt, Ew. Exellenz mit der daraus hervorgehenden mißlichen Lage unsrer Stadt bekannt zu machen. Wenn wir uns der traurigen Überzeugung nicht verschließen können, daß die ganze Zukunft unsrer Stadt auf einem gefahrvollen Wendepunkte steht, daß die zur Belobung des Verkehrs von uns verwendeten großen Summen rein umsonst augegeben sein werden, daß sich unsre Kämmerei von ihrer Schuldenlast nimmer wird erholen könne, und daß selbst die Auflösung des kaum errichteten Hauptsteueramtes eine unausbleibliche Folge der bevorstehenden neuen Verhältnisse sein wird, so erfüllt uns hie wiederum die vertrauensvolle Hoffnung, daß wir in Ew. Exellenz einen wohlwollenden Vetrtreter unsrer so hart bedrohten Interessen, und bei dem Staate, welche Gestalt die Dinge auch immer nehmen mögen, jenen wirksamen Schutz finden werden, auf welchen eine treugesinnte, vom besten Geiste beseeltebesälte dankbare Stadt, von unverkennbarer Bedeutsamkeit, mit

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Zuversicht stets rechnen kann.

In tiefster Ehrerbietung Ew. Exzellenz Ganz gehorsamster Bürgermeister und Stadtrath von Neuss /:Unterschriften:/ An den Königlichen Staats- und Finanz-Minister Ritter mehren hohen Orden quaestioniert quaestioniert, HerrnRitter mehren hohen Orden quaestioniert quaestioniert, Herrn Freiherrn von Bodelschwingh , Exzellenz zu Berlin. N° 1219.