Die Stadtverordneten-Versammlung werden die von der SchulCommission gepflogenen Verhandlungen in Betreff der Erweiterung der höheren Mädchenschule beim hiesigen Waisenhause und der Errichtung einer Elementarschule vorgelegt. Aus derselben geht hervor, daß die Oberin des Ordens vom Kindlein Jesu zu Aachen, wie früher so auch jetzt auf die Einrichtung einer Töchterschule mit einer nach dem ministeriellen Rescript vom 29. November 1853 geprüften Vorsteherin nicht eingehen, wie sie eben so wenig Aushülfe durch einen Gymnasiallehrer annehmen könne. Als wesentlichster Grund für die Nichtbestellung einer solchen Vorsteherin wird angegeben, daß wenn der Orden auch Schwestern habe, denen die Qualifikationen einer Vorsteherin solcher Schule nicht abgehen dürfte, es doch nicht einer kirchlichen Genossenschaft gezieme, ihre Mitglieder einer von einer weltlichen Behörde abzuhaltenden Prüfung zu unterwerfen, die sich nicht allein auf ihre " materiellen Kenntnisse" und ihre " allgemeine pädagogische und " didaktische Befähigung " sondern auch auf ihre " sittliche Reife in " Auffassung des Berufes " und namentlich auf ihre " eigene religiöse Begründung " erstreckt, indem diese religiösen und sittlichen Eigenschaften schon durch die kirliche Autorität gewährleistet, daher nicht mehr in Frage zu stellen seien. Die Oberin weist daraufhin, daß die jetzige höhere Mädchenschule ohne eine Vorsteherin im Sinne jenes Rescriptes bestehe, und daß auch die Erweiterung der Schule durch Hinzufügung einer zweiten Klasse mit einer qualifizirten Schwester als Lehrerin statt finden könne, ohne daß eine solche Vorsteherin fungire. Wolle man dieser Ansicht beitreten, so würde es von der zu erwartenden Zahl von Schülerinnen abhangen, ob eine zweite Schwester als Lehrerin einer zweiten Klasse hingesandt werden könne. Die Einrichtung einer Elementarschule als Vorbereitung zu der erweiterten höheren Mädchenschule werde sich endlich ohne besondere Schwierigkeiten verwirklichen lassen. Es geht ferner aus diesen Verhandlungen hervor, daß der hiesige WaisenhausVorstand sich bereit erklärt hat, die Oberin zu Aachen zu vermögen zu suchen, daß sie schon bei Eröffnung des neuen Schuljahres, wo die neue Einrichtung ihren Anfang nehmen soll, eine tüchtige qualifizirte zweite Lehrerin hierherschicke, welche besonders in der französischen und deutschen Sprache grade so wie sie in jeder andern höheren Töchterschule gelehrt zu werden pflegen, unterrichten werde. Wenn dann dennoch gewünscht werde, daß in dem eine oder
[Nächste Seite] andern Fache ein Gymnasiallehrer Unterricht ertheile, so wolle der WaisenhausVorstand von solche Anordnung unter der Bedingung befürworten, daß die Wahl dieser Lehrers mit ausdrücklicher Genehmigung des Herrn Oberpfarrers geschehe. Der Waisenhaus-Vorstand bemerkt endlich daß, nachdem in solcher Weise für die höhere Töchterschule und den Unterricht in derselben gesorgt sei, dem Wesen nach allen pädagogischen Anforderungen an eine solche in dem Maaße entsprechen sein dürfte, daß, um allen Schwierigkeiten auszuweichen, von einer höheren Töchterschule im Sinne des Ministerial-Erlasses abgesehen werden könnte.Die Schul-Commission ist ihrerweits der Ansicht, daß, da die Einrichtung einer Töchterschule mit weltlichen Lehrerinnen, wie auch schon früher dargelegt worden, nicht zu empfehlen ist, auf die Erweiterung der höheren Mädchenschule beim Waisenhause durch Hinzufügung einer zweiten Klasse und Berufung einer namentlich in der französischen und deutschen Sprache gehörig qualifizirten zweiten Lehrerin wenigstens versuchsweise einzugehen sein dürfte. Zur Sicherung einer größeren Frequenz sei das Schulgeld in der Weise mit dem Waisenhaus-Vorstande zu vereinbaren, daß in der untersten Klasse 8 Thlr. und in der öberen Klasse 12 Thlr. Schulgeld entrichtet werden, und bis zu einer gewissen Einnahme möchte dann die Stadt dem Waisenhause gegenüber Garantie leisten, so daß dasjenige, was weniger an Schulgeld als jene für die Existenz der Schule nothwendige Summe eingehe, die Stadt Zuzulegen habe. Die Errichtung der Elementarzahlschule sei mit keinen besonderen Auslagen für die Stadt verbunden; das Schulgeld in derselben dürfe auf 6 Thlr. pro Jahr zu normiren sein.
Dieser Gegenstand wurde im Schluuße der heutigen Sitzung von der Stadtverordneten-Versammlung nach allen Seiten hin lebhaft diskutirt, wobei schließlich folgende Anträge zur Abstimmung kamen: Stadtverordneter Wilms beantragte: "es bei der jetzigen Einrich" tung der höheren Töchterschule einstweilen zu belassen, da voraussicht" lich bei der neuen, von dem Waisenhaus-Vorstand vorgeschlagene " Einrichtung kein besseres Resultat zu erzielen sei, und zwar auf so lange " bis man dazu übergehe, eine den gesetzlichen Bestimmungen ent" sprechende höhere Töchterschule zu errichten.
Dieser Antrag wurde vom Stadtrath abgelehnt. Stadtverordneter Weise hatte folgenden Antrag gestellt: " In Erwägung, daß das Bedürfniß für eine höhere Töchterschule aner" kannt ist, und daß die Stadt auch Geldmittel genug besitzt, um diesem " Bedürfniße zu entsprechen, daß auch der vorgelegten schriftlichen Erklä" rung der Oberin den gesetzlichen Anforderungen für eine höhere " Töchterschule durch den Orden nicht entsprochen werden kann, und " weil ich überhaupt den Unterricht, wie er nach der Erklärung " der Oberin hier ertheilt werden soll, für eine öffentliche städtische " Schule für zu einseitig halte, trage ich darauf an, die städtische " Schul-Commission zu ersuchen, gesetzlich qualifizirte weltliche " Lehrerin mit einer Vorsteherin zu berufen.
[Nächste Seite]Auch dieser Antrag fand nicht die Zustimmung der Versammlung. Stadtverordneter Sommer hatte nachstehenden Antrag gestellt: " In Erwägung, daß zwar das Bedürfniß für eine höhere Töchterschule " anerkannt worden ist, daß aber die Errichtung einer solchen mit " weltlichen Lehrerinnen, mit großen Opfern für die Stadt ohne " voraussichtlichen Erfolg verbunden sein würde, und in Erwägung, " daß die Stadt bei der drückenden Last der Einquartirung alle Ursache " hat, mit ihren Mitteln sparsam zu Rathe zu gehen, stelle ich den " Antrag, auf die Errichtung einer solchen Schule zu verzichten, und auf " andere Weise eine Einrichtung zu versuchen, die der Stadt weniger " Kosten aufbürde, wenn auch dadurch die vollkommene Befrie" digung des ausgesprochenen Bedürfnisses nicht erreicht werden sollte. Dieser Antrag wurde ebenfalls abgelehnt.
Dagegen wurde folgender, von dem Stadtverordneten Schmitz gestellter Antrag mit überwiegender Majorität zum Beschlusse erhoben: " In der Voraussetzung, daß es der Schul-Commission gelingen " wird, wie Seitens des Waisenhausvorstandes ja in Aussicht gestellt " ist, eine zweite zur Ertheilung des Unterrichts in einer höheren " Töchterschule wie ebenfalls zur Leitung einer solchen Schule quali" fizirte Lehrerin zu gewinnen, sowie auch, daß die Oberin in " Aachen gestatten werde, durch eine mit Zustimmung des Ober" pfarrers zu wählenden Gymnasiallehrer Aushüfe-Unterricht in " der Schule ertheilen zu lassen, die Schul-Commission zu ersuchen " versuchsweise auf ein Jahr durch Vermittelung des Wausenhaus" Vorstandes die Schule nach den Vorschlägen des Waisenhausvordtandes " in's Leben zu rufen, und zur Deckung der dadurch entstehenden " Kosten dem Waisenhaus-Vorstande einen Zuschuß in Aussicht " zu stellen, über dessen Höhe der Stadtrath sich den Beschluß " vorbehalten möge.
Mit der Annahme dieses Antrages wurde die Sitzung geschlossen. actum ut supra