Band 45: Eintrag vom  13. Juli 1842 (Nr. 253 )

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 
Aller Durchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr!

Eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart -die Richtung der Rheinischen Eisenbahn in ihrer Fortsetzung von Cöln nach Minden unterliegt in diesem Augenblicke ihrer für die ganze Zukunft des Landes entscheidenden Lösung, auf welche die westlichen Provinzen des Staates mit der gespanntesten Erwartung hinblicken.

Auch die Wohlfahrt, und das Aufblühen der Stadt Neuß wird durch diese Frage wesentlich berührt, und es finden darum die untertänigst unterzeichneten Vertreter derselben vordringende Aufforderung Eure königliche Majestät ihre daran geknüpften Wünsche und Hoffnungen in ehrerbietigstem Vertrauen vorzutragen.

[Nächste Seite]

Zwei verschiedene Projekte - die Richtung von Coeln über Deutz nach Düßeldorf, und jene von Coeln nach Elberfeld - sind in den Vordergrund gestellt, während sich für eine dritte Richtung, wie sich jene von Coeln über Neuß nach Düßeldorf in den bisherigen Verhandlungen kaum eine Stimme erhoben hat. Und dennoch würde die letztere Richtung sowohl unter dem Gesichtspunkte der leichteren Ausführung und der Kosten - Ersparniß als auch in Rücksicht auf eine davon zu erwartende stärkere Frequenz bei entschiedensten Vorzüge darbieten.

In tiefster Ehrerbietung gestatten wir uns aufmerksam darauf zu machen, daß die letztere Richtung vor jener über Deutz nach Düsseldorf den wesentlichen Vortheil gewährt, daß sie eine weit kürzere Strecke zu durchlaufen hat, von beiden Richtungen aber, daß sie durchaus keine Terrain-Schwierigkeiten findet, daß sie überall nur flache Ebenen berührt, und daher ihr Bau wie bei dergleichen Unternehmungen wohl nicht zu übersehende Kosten-Ersparniß von mehren hundert tausend Thalern in gewiße Aussicht stellt. Wir glauben in Unterthänigkeit versichern zu dürfen, daß eine vorläufige Veranschlagung der für die Ausführung dieser Strecke erforderlichen Mittel einen sehr bedeutenden Minderbetrag ergeben, und sohin unsre Behauptung auf daß vollständigste bestätigen werde.

Wenn aber auf der einen Seite der mit Recht in die Wagschale kommende Kostenpunkt für die Richtung von Coeln über Neuß spricht, so dürfte die von derselben mit der unzweifelhaftesten Gewißheit zu hoffende größere Frequenz vollends dafür den Ausschlag geben.

Schon allein die Stadt Neuß mit ihrer nahe an 10,000 Seelen umfaßenden Bevölkerung kommt dabei wesentlich in Betracht. Ihr ausgebreiteter Getreidehandel, welcher für den bedeutendsten am Niederrhein gilt, und sei mit der fruchtreichen

[Nächste Seite] Gegend um den Gillbach, mit Düßeldorf und dem ganzen bergischen Lande, und mit der rheinauf-und rhein abwärts gelegenen Gegend in stete Verbindung bringt; ihre Oelfabrikation, welche einen solchen Umfang genommen hat, daß nicht eine andre Stadt in der ganzen Monarchie in dieser Beziehung ihn an die Seite sich stellen kann, und welche, außer den beträchtlichen Oel- und Kuchenversendungen alljährlich bedeutende Saamen Beziehungen von der Ostsee veranlaßt; ihre mit der Zeit ins Leben tretende Maschinen Flachsspinnerei als Muster-Anstalt für die Rheinischen Provinz, und mehre andre in ihr bestehenden Handels- und Gewerbzweige sichern der über Neuß zu führenden Eisenbahn auf der Zwischenstrecke zwischen Coeln und Düßeldorf einen so lebendigen Verkehr, daß er jenen auf der entgegen gesetzten Rheinseite wenigstens nun daß Dreifache übersteigen dürfte. Es läßt sich als unbezweifelt annehmen, daß blos die gegenseitige Verbindung zwischen Neuß, Düsseldorf und der nächsten Umgebung der Eisenbahn, ohne die Waaren-Transporte in Anschlag zu bringen, täglich mehre hundert Personen zu führen wird.

Aber nicht nur die Stadt Neuß hat ein isolirtes Interesse an dieser Bahnrichtung geltend zu machen; auch den gewerbereichen Städte Crefeld, Gladbach, Rheidt, Vierßen, Odenkirchen, Hüls, Grevenbroich, Wevelinghoven und mehre andre Orte, deren industrielle Bedeutsamkeit in der letzten Zeit außerordentlich gestiegen ist, und für die Zukunft noch mehr sich zu entwickeln verspricht; die fruchtbare Gegend an der Gyllbach, das sogenannte Jülicher Land, und die ganze Gegend um bei Erkelenz würden durch dieselbe ihre Verbindungen erleichtert sehen, und mehr oder minder in den Bereich dieser Linie gezogen werden. Eine durch ihre Handels- und Gewerbthätigkeit, wie durch ihre Ackerbau- Produktion die Fürsorge des Staates vielfach in Anspruch

[Nächste Seite] nehmende Bevölkerung von mehr als 100,000 Einwohnern würde sonach an den Vortheilen dieser Richtung partizipiren, und durch ihre starke Benutzung gleichzeitig zur Verzinsung des darauf verwendeten Anlage-Capitales ansehnlich beitragen, Eine gleich bedeutende Frequenz der Eisenbahn, wenn diese über Deutz auf dem rechten Rhein-Ufer nach Düsseldorf geführt wird, vermag die dabei betheiligte Zwischen-Gegend weder an Personen, noch von Waaren-Transporten in Aussicht zu geben, und wir fürchten nicht zuviel zu sagen, wenn wir die dießeitigen Benutzung an den ZwischenOrten um das drei bis vierfache höher annehmen.

Der sehr bedeutende Unterschied in den Kosten des Anlage-Capitales, und der Unterhaltung an einem Theile, und am andern die vielfach stärkere Frequenz und die dadurch bedingte beßere Rentabilität des Unternehmens jenen demnach der Richtung der Bahn von Coeln über Neuß nach Düßeldorf einen überwiegenden Vorzug geben zu müßen, und wir glauben daher auch im Intereße unsrer Stadt nicht nur sondern auch im Interesse des Unternehmens selbst und der Allgemeinheit Euer Königliche Majestät aller unterthänigst bitten zu dürfen die Führung der Bahn in dieser Richtung allergnädigst anordnen zu wollen.

Wir ersterben in tiefster Ehrfurcht Erw. Majestät

Neuhs den 18.Juli 1842

aller unterthänigster Bürgermeister und Stadtrath von Neuß (:Unterschriften.