Band 52: Eintrag vom  7. Mai 1857 (Nr. 10)

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 

Durch Mittheilung vom 25. April courant macht das Gymnasial-Curatorium die Stadtverordneten-Versammlung mit einem Rescript des Königlichen Provinzial-Schul-Collegiums vom 11. ejusdem bekannt, worin gedachtes Curatorium in Erwiderung auch den stadträthlichen Beschluß vom 9. März courant betreffend die Ablehnung der Übernahme der dem entlassenen Gymnasial-Oberlehrer Blumberger zu zahlenden Unterstützung, veranlaßt wird, die Stadtverwaltung auf das zwischen der Stadt und dem Gymnasium bestehende rechtliche Verhältniß, ferner auf die von dem quaestioniert Blumberge der hiesigen höheren Lehranstalt gewidmete, mehr als dreißigjährige Dienstzeit und auch die gegenwärtige finanzielle Lage des Gymnasiums zu dem Zweck aufmerksam zu machen, auf daß die Zahlung der demselben durch Resolut des Königlichen Staats-Ministeriums vom 3. Dezember vorigen Jahres zuerkannten jährlichen Unterstützung von 262 Thaler 15 Silbergroschen Seitens der Stadt-Kasse übernommen und auf diese Weise einem anderweiten Verfahren vorgebeugt werde.

Das Gymnasial-Curatorium entledigt sich dieses Auftrages mit dem Ersuchen die Angelegenheit noch einmal in reifliche Erwägung zu ziehen, und solche vermittelnde Anordnungen zu treffen, welche geeignet sind, dieselbe einer definitiven Erledigung entgegen zu führen und gleichzeit die das Gymnasium bedrohenden Nachtheile entfernt zu halten-

[Nächste Seite] Nach gepflogener Berathung erwiedert die Stadtverordneten-Versammlung hierauf mit folgender Erörterung: Das hiesige Gymnasium ist ins Leben gerufen worden auf Grund zweier gemeinderäthlichen Beschlüsse vom 21. Januar 1851 und 17. Juli 1851, worin die Stadt sich verpflichtet hat, zur Sustentation dieser Anstalt, ausser der Garantie einer jährlichen Schulgeld-Einnahme von 2200 Thaler einen festen jährlichen Zuschuß von 3250 Thaler an die Gymnasial-Kasse zu leisten. Hinsichtlich der zu bewilligenden Pensionen oder Unterstützungen an emerittirte Lehrer wurde nichts stipulirt. Nach §. 1. des Gesetzes über die Pensionierung der Lehrer an den höheren Unterrichts-Anstalten haben Lehrer nur dann Anspruch auf Pension, wenn Sie auf einer bestimmtem Dienstzeit ohne ihr Verschulden dienstunfähig werden, und es sollen nach §. 4. dieses Gesetzes die Pensionen zunächst aus dem Vermögen der Anstalt und falls diese letztere Mittel hierzu besitzt, von denjenigem aufgebracht werden, welcher zur Unterhaltung der Anstalt verpflichtet ist. Gemäß §16 auf des nämlichen Gesetzes sollen ferner zur Deckung der Pensionen eigene Fonds aus Beiträgen der Lehrer und aus solchen des zur Pensionszahlung Verpflichteten gebildet werden. Die Bildung eines solchen Pensionsfonds kann nach der Allerhöchsten Cabinetsorder vom 13. Merz 1848 unterbleiben, wenn die betroffene Stadtgemeinde die gesetzlichen Pensionen übernimmt, respective durch ihr Vermögen hiefür die nöthige Garantie bietet. Auf den Antrag der Stadt Neuß respective auf Grund eines gemeinderäthlichen Beschlusses d. d. 16. Merz 1854 dahin lautend, daß die Stadt ihrer Verbindlichkeit zur Gewährung der gesetzlichen Pensionen unter Anwendung der Bestimmungen der Verordnung am 28. Mai 1846 und der Allerhöchsten Cabinets-Order vom 13. Merz 1848 zu entsprechen geneigt sei, ist dieselbe von der Zahlung eines besondern Beitrags zum Pensionsfonds respective von der Bildung eines besondern Pensionsfonds dispensirt worden So wie die Stadt die eingegangenen Verpflichtung zur Übernahme der nach Maßgabe der Verordnung von 1846 zu zahlenden Pensionen an solche Lehrer, welche ohne ihr Verschulden dienstunfähig werden, auch noch heute anerkannt, so muß dieselbe auch jede ihr angesonnene, weiter gehende Zahlung von Unterstützungen für Lehrer welche durch ihr Verschulden, ihre Dienstentlassung sich selbst zugezogen haben, wie dies bei dem Gymnasial-Oberlehrer Blumberger der Fall ist, und welche ihren Anspruch auf Pension dadurch bestimmungsmäßig verloren haben, entschieden ablehnen.

Dem Gymnasial-Oberlehrer Blumberger sind in Folge diszipliner. Unterstützung, in Gemäßheit des §16 des Gesetzes in Betreff der Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten vom 21. 7. 1852, neben der gegen ihn ausgesprochenen Dienstentlassung drei Viertel der reglementsmäßigen Pension mit 262 Thalern 15 Silbergroschen als lebenslängliche

[Nächste Seite] Unterstützung zugebilligt worden. Zur Zahlung einer derartigen Unterstützung, welche über die dann gedachten Oberlehrer in dessen Berufsvertrage gemachten Zusicherungen ≠ hinausgeht, hat die Stadt sich indessen nicht verpflichtet, wie ebenso wenig eine solche Verpflichtung für die Stadt aus den bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen hergeleitet werden kann. Vielmehr hat dieselbe sich nur verbindlich gemacht wie hiermit ausdrücklich wiederholt hervorgehoben wird, die eigentlichen, die verdienten Pensionen, welche nach der Verordnung von 1846 zu zahlen sind, zu übernehmen.

≠ worauf nur bei treuer und gewissenhafter Pflichterfüllung Pensionsgenuß zugesagt ist,

Die Stadt Neuhs hat für Schulzwecke nie Opfer gescheut, sie darf sich rühmen, hiefür verhältnißmäßig mehr als eine andere Gemeinde des Staates zu gethan zu haben, und noch gegenwärtig zu thun. Die hiesige Gemeinde, im Ganzen 10000 Seelen zählend, gibt außer ca. 1000 Thaler an Pensionen dreier Lehrer des ehemaligen Progymnasiums, einen festen jährlichen Zuschuß von 3250 Thaler an die Gymnasialkasse, ohne daß ihr von irgend einer Seite der mindeste Zuschuß, gewährt wird. Die Hergabe des Gymnasial-Gebäudes und erheblicher baulichen Einrichtungskosten sind hierin nicht einmal einbegriffen.

Sie glaubt demnach jedes Opfer, welches ihr lediglich in Folge von Extravaganzen eines Lehrers angesonnen wird, zurückweisen zu müssen, und eine derartige Ablehnung hält sie in Ansehung der Unterstützung für den im Disciplinarwege entlaßenen Gymnasial-Oberlehrer Blumberger um so mehr für eine Gewissenspflicht, als durch die Gewährung derselben das Sittlichkeits-Gefühl in der Gemeinde auf die empfindlichste Weise verletzt werden, und die Gefahr anderer bedenklichen Folgen herbeiführen würde.

Die Stadtverordneten-Versammlung vermag hiernach nur bei ihrem ablehnenden Beschluß vom 9. Merz courant verharren Stadtverordneter Weise, welcher bei den seitherigen Verhandlungen über obige Frage nicht zugegen war, hat sich der Abstimmung enthalten, wogegen die übrigen Stadtver- ≠.

≠ verordneten sich einstimmig für den ablehnenden Beschluß ausgesprochen haben.

Actum utsupra