Band 59: Eintrag vom  16. Juli 1881 (Nr. 719)

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 
3. Entwurf des Vertrages der Scheibenschützen-Gesellschaft

Nach weitläufiger Besprechung des Gegenstandes sprach die Versammlung sich zunächst dafür aus, daß zur Ausgleichung der Differenzen der Stadt mit der Scheibenschützen-Gesellschaft mit sämmtlichen Stimmen gegen jene von Rosellen, Dr. Sels, Ibels, Kaumanns für Abschließung eines Vertrages, sodann mit sämmtlichen Stimmen gegen jene von Rosellen, Dr. Hellersberg, Dr. Sels, Ibels und Kaumanns für einen Vertrag auf 99 Jahre ferner mit sämmtlichen Stimmen gegen Dr. Sels für Abtretung eines Terrains von 5940 qm Wiesen hinter dem Schlachthause zur Anlage einer neuen Scheibenbahn und endlich mit den acht Stimmen von Broix,

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Meuter, Jaegers, Hermkes, Richen, Thywissen, Josten und Hesemann gegen jene von Rosellen, Dr. Hellersberg, Franken, Dr. Sels, Melchers, Ibels, Kaumanns für die Ueberlassung eines weiteren Wiesenterrains an die Gesellschaft von 4 Morgen nebst 3000 Mark Baarentschädigung, welche jedoch mit jährlich 108 Mark der Stadt zu verzinsen ist. Die spezielle Feststellung des Vertrages bleibt vorbehalten. Herr Dr. Sels gab folgendes Separatvotum zu Protocoll:

Da die finanzielle Lage unserer Stadt bei 260 % Communalsteuer eine erfreuliche nicht genannt werden kann, so glaube ich meine Zustimmung zu dem Antrage der Scheibenschützen-Gesellschaft nicht geben zu dürfen, indem diese Gesellschaft unter Wegfall der früheren zeitgemäßen, jetzt antiquirten Verhältnisse, nur durch eine kleine Anzahl Bürger activ vertreten, in unserer allzu vergnügungssüchtigen Zeit als Hauptzweck eben das Vergnügen verfolgt und dazu doch die Steuern der Bürger nicht verwandt werden sollten, zudem andere allgemein zweckmäßige Anlagen, wie z.B. die Restauration und der Ausbau der herrlichen Münsterkirche, Instandhaltung der Promenade und sonstige Spaziergängen etc. etc. . . aus finanziellen Rücksichten nicht in wünschenswerther Weise ausgeführt werden. Das spätere Eigenthums-Verhältniß der Gesellschaft, der Stadt gegenüber wird, da erstere gar kein juristisches Fundament hat, ein sehr unklares, zu Verwicklungen führendes, und das städtische Einkommen durch die beschlossene Ueberweisung wesentlich geschädigt werden. Ueber die Gefährlichkeit der projectirten Anlage bei den

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neueren weittragenden Büchsen erlauben mir keine Meinung, wohl aber meine Befürchtung aussprechen zu müssen, da bei der früheren in der städtischen Promenade gelegenen Scheibenbahn, trotz aller durch die Sicherheitsbehörden getroffenen Vorsichtsmaßregeln, dennoch unangenehme und gefährliche Vorfälle vorgekommen, in deren Folge von Seiten der Königlichen Regierung die polizeiliche Schließung angeordnet wurde.

Herr Franken gab ebenfalls ein Separatvotum folgenden Inhaltes zu Protocoll.

Im Interesse der Stadt fühle ich mich verpflichtet, gegen den heutigen Beschluß der Majorität 8 gegen 7 Stimmen der Stadtverordneten Versammlung in Bezug auf die Bewilligung von 6 1/3 Morgen Terrain und baare 3000 Mark gegen eine Zinsvergütung von 108 Mark zu protestiren.

Wie aus den Büchern der Stadt Neuss hervorgeht, genießt die Scheibenschützengesellschaft seit langen Jahren die Nutznießung von 2 Morgen städtischer Wiesen, welche der Königsmorgen genannt werden. Trotzdem hat diese Gesellschaft zur Erbauung des ehemaligen Scheibenhauses in den Jahren 1831-34 Mark 5078,90 und 1854 Mark 210 aus der Stadtkasse zugeschossen bekommen, wofür die Stadt bis zur Aufhebung der Scheibenbahn 108 Mark Zinsen jährlich erhielt. Das Scheibenhaus war bei der Provinz-Feuerversicherungs Gesellschaft für 5400 Mark versichert. Ein Beweis daß das Scheibenhaus ausschließlich fast nur mit städtischem Gelde gebaut worden ist. Im städtischen Lagerbuche steht auch ausdrücklich, daß das Gebäude

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zum größten Theil aus Zuschüssen der Stadtkasse erbaut sei. In damaliger Zeit als die Scheibenbahn angelegt wurde, bestand das Terrain aus einem alten Festungsgraben, der werth- und nutzlos dalag. Das jetzt bewilligte Garten resp. Wiesenland hat einen Werth von 1500 Mark per Morgen. Die 6 1/3 Morgen represäntieren daher 9500 Mark, 3000 Mark baar; Mark 5288,90 früher 1831-34 - 1854 also zusammen 17788,90 Mark, wofür die Stadt jährlich 108 Mark Zinsen erhalten soll. Diese Zinsen werden von selbst aus dem Ertrage der Königsmorgen gedeckt. Unser städtisches Budget ist so groß, daß viele Sachen, welche nothwendiger sind als eine Scheibenbahn und auch nicht die Summe von 17788,90 Mark erforderten, von Jahr zu Jahr ausgeschoben werden, darüber vieles dem Allgemeinwohl dienende und gewiß nicht eine solche hohe Summe erforderten, wovon nur wenige Scheibenschützen ein Vergnügen genießen.