Der Oberbürgermeister Hüpper hielt nachfolgende Ansprache:
Meine Herren! Wie man bei Wanderungen an markanten Punkten Halt macht und auf den zurückgelegten Weg und das ferne Ziel den Blick richtet, so pflegt man auch bei besonderen Ereignissen einen Augenblick zu verweilen, um sich Rechenschaft zu geben über das bis dahin Geschehene, um zu versuchen, den dunklen Schleier, der die Zukunft verhüllt, mit seinem geistigen Auge zu durchdringen.
Da seit gestern Abend 12 Uhr der Ruf erschallen kann: "Neuss ist wieder frei", so geziemt sich wohl auch einen kurzen Rückblick auf die letzten Jahre zu werfen. Am 4. Dezember 1918, kaum hatten die letzten Teile der deutschen Armee den Rhein überschritten, zogen die Vortrupps der alliierten Mächte in Neuss ein, denen bald die größeren Formationen folgten. Gleich wurde die Stadt vor die schwierige Aufgabe gestellt, für etwa 3000 Mann Quartiere zu beschaffen und die sehr hohen Ansprüche der Offiziere bezüglich Unterkunft Kasinos und so weiter zu
[Nächste Seite]befriedigen. Es blieb nichts anderes übrig als eine sehr große Anzahl von Bürgerquartieren, die Schulen, sowie nahezu sämtliche Säle der Stadt bereitzustellen. Bei der Wohnungsnot führten diese Einquartierungen in vielen Fällen zu argen Mißständen und Belastungen für die Bevölkerung, denen die deutsche Behörde jedoch machtlos gegenüberstand, da sie selbst unter Zwang handelte. Bald zog die belgische Hauptwachein's Rathaus und auf allen öffentlichen Gebäuden wurde die belgische Fahne gehißt. Verschiedentlich lösten sich Schüsse, drangen durch die Wände und gefährdeten die im Rathause befindlichen Personen. Eines Tages drang sogar eine Kugel während einer Sitzung durch den großen Stadtratssaal, glücklicherweise ohne jemanden zu verletzen. Erst im Jahre 1920 verstand sich die Besatzung zu einer Räumung des Rathauses.
Bald auch mehrten sich die Übergriffe der Truppen. Es kamen Mißhandlungen, Plünderungen und sogar Überfälle vor und erst auf die scharfen Proteste der Stadtverwaltung hin, bemühten sich die höheren Truppenführer diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Wehr- und waffenlos war die Bevölkerung allen diesen Dingen preisgegeben, da die Waffen der Besatzung abgeliefert waren. Eine Anzahl von Verordnungen und Befehlen griffen in das private und öffentliche Leben ein. So mußte sich jeder Einwohner über 14 Jahre durch einen Personalausweis legitimieren, die Hausbesitzer waren gehalten ein Verzeichnis der Hausinsassen im Flur auszuhängen, das Betreten der Straßen war nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gestattet. Der Verkehr mit dem unbesetzten Gebiet war nahezu unterbunden und nur gegen besonderen Paß möglich. Jeder Verstoß gegen diese Bestimmungen wurde durch ein besonderes Polizeigericht schwer bestraft. Die militärischen Fahnen mußten gegrüßt werden, die Polizeibeamten hatten jeden Offizier zu grüßen. Eine Post- und PressezensurPressenzensur wurde eingerichtet, umfangreiche Requisitionen an Lebensmitteln, Wäsche, Pferden u. s. w. erfolgten. Die Stadtverwaltung als ausführendes Organ der Besatzungstruppen hatte bei
[Nächste Seite]der Durchführung dieser Anforderungen der Bevölkerung gegenüber einen außerordentlich schweren Stand. Der Höhepunkt der Quartierlasten wurde im Juni 1921 gelegentlich der Besetzung von Düsseldorf und Duisburg erreicht. Neuss erhielt in dieser Zeit neben der ständigen belgischen Einquartierungen von rund 2500 Mann noch ein französisches Infanterieregiment, 2 Geniekompagnien und 1 Bataillon Artillerie. Zur Unterbringung dieser Truppen wurden außer neuen Privatquartieren hauptsächlich die Schulen, darunter auch die Oberrealschule, das Gymnasium, Lyzeum und Lehrerseminar in Anspruch genommen. Der Unterricht mußte in Wirtschaften und sonstigen Lokalen stattfinden. Dann setzte am 11. Januar 1923 die Ruhraktion - der passive Widerstand - ein. Diese Zeit brachte die schwerste Belalastungsprobe für das schwergeprüfte besetzte Gebiet mit sich. Die Eisenbahnen verkehrten nicht mehr, die Brücken waren gesperrt. Der Kriegszustand konnte nicht schlimmer sein. Nicht weniger als 135 Beamte der Eisenbahn-, Zoll-, Finanz-, Justiz-, Stadt- und Postverwaltung wurden mit ihren Familien ausgewiesen, und mußten meist in wenigen Stunden unter Zurücklassung von Hab und Gut sofort das besetzte Gebiet verlassen. Die Mehrzahl von ihnen konnten erst nach vielen Monaten zurückkehren. Die Besatzung richtete selbst einen Zugverkehr ein und verlangte zu ihrer eigenen Sicherheit die Mitfahrt von Geiseln, die allen Kreisen der Bevölkerung entnommen wurden.
Die Stadtverwaltung versuchte im Verein mit dem Reich den nicht mehr tragbaren Quartierlasten zu steuern, indem zahlreiche Besatzungshäuser insgesamt 109 Wohnungen gebaut wurden. Trotzdem blieben bis zuletzt noch 99 Quartiere in Privatwohnungen beschlagnahmt.
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