Band 45: Eintrag vom  21. Oktober 1842 (Nr. 263)

Eintragsübersicht (Band, Sitzung)

Transkription

 

Durch eine Strom-Arbeit, welche die obere Wasserbau-Behörde des Regierungsbezirks Düsseldorf in diesem Augenblicke, wie es scheint rasch zu vollführen beabsichtigt, sieht die Stadt Neuhs ihre ganze Zukunft hart bedroht. Es ist große Gefahr bei jedem Vorzuge, weshalb die unterzeichneten Vertreter der Stadt bei Einem königlich hohen Ministerium unmittelbar Schutz und schleunige Abhülfe zu suchen nicht umhin können. In dem den hiesigen Bürgermeister-Bezirk umfließende Theile des Rheinstromes befindet sich

[Nächste Seite] dem linken Ufer nahe, die sogenannte OelgangsInsel, welche noch seit Menschen-Erinnerung in dem Strome aufgetaucht ist, und seither fast alljährlich an Umfang zugenommen hat. Sie kann gegenwärtig einen Flächenraum von 50 Morgen umfassen. Unmittelbar unter dieser Insel mündet der von der Stadt Neuhs mit großem Kosten-Aufwande schiffbar gemachte Erftfluß in den Rhein, und es liegt daher klar zu Tage, daß die allmählig um sich greifende Erweiterung dieser Insel auch ohne äußeres Zuthun eine Vereinigung mit dem Rheinufer herbeiführen, und die Schifffahrt in der Erft mit der Zeit wo nicht gänzlich verhindern, doch außerordentlich erschweren wird.

Obschon der Zeitpunkt, vor dieser Übelstand zu befürchten, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge so ganz nahe nicht zu bevorstehen schien, so hat die Stadtverwaltung jedoch seit dem Jahre 1838 ihren jährlich über die Schiffahrt erstatteten Berichten nicht aufgehört, die Königliche Regierung auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen und dieselbe inständigst zu bitten, an Insel und Ufer nicht nur Nichts unternehmen zu lassen, was die befürchtete Verbindung beschleunigen könnte, sondern vielmehr bei eintretender Nothwendigkeit Alles anzuwenden, um einem solchen den hiesigen Verkehr für immer vernichtende Zustande nach? Kräften entgegen zu wirken.

Bis jetzt ist in letzterer Beziehung nichts geschehen, um die allmählig von selbst vor sich gehende Vereinigung der Insel mit dem diesseitigen Ufer zu verhindern, viel mehr steht nun die Wasserbaubehörde im Begriffe, durch Anlage von Kribbwerken, welche am sogenannten steinernen Orte anfangen, und sich auch bis gegen

[Nächste Seite] die Mitte der Oelgangs-Insel erstreckten selber, der Vereinigung der Insel mit dem Ufer offenbaren Vorschub zu leisten, und sie dadurch in nicht langem Zwischenraume herbeizuführen. Zu den desfallsigen Bauten ist dem Vernehmen nach dies Holz bereits angekauft, und es sollen die Arbeiten, schon in wenigen Tagen beginnen.

Mag auch die durch Anlage der Kribbwerke mit der Zeit unfehlbar eintretende Vereinigung der Insel mit dem diesseitigen Ufer für die nächsten Jahre der Schiffahrt in der Erft nicht hinderlich sein, so bleibt es, wie uns durch stromkundigen Ingenieurs früher schon zu erkennen gegeben worden, nur zu gewiß, daß jene Insel sich auf die dauer immer weiter nach dem Heerdter-Ufer ausdehnen und endlich bis zu diesem Ende Ufer gelangen wird, wonach dann der Erft-Canal sich zuletzt im Sande verlieren, und vom Rhein vollends abgeschnitten werden würde.

Dem jetzt vorbereiteten Projecte kann nur die einzige Absicht zum Grunde liegen, dem alsdann mehr nach der rechten Seite sich ziehenden Strome eine größere Tiefe zu verschaffen, und dadurch für die Schiffahrt im Rheine eine allerdings wünschenswerthe Erleichterung herbei zu führen. Allein es dürften unsers gehorsamsten Dafürhaltens hierzu anderweite Mittel, welche das diesseitige Interesse nicht gefährden, wohl aufgefunden werden. Wir rechnen hierzu eine theilweise Abtragung der Insel, und eine mittelst Ausbaggerung zu Stande zu bringende Austhiefung des nach den linken Ufer sich hinziehenden Stromgebietes, ohne dabei sonstigen Vorschlägen vorgreifen zu wollen, welche sachkundige Techniker an die Hand geben möchten, und die der Stadt Neuhs drohende Gefahr abzuwenden. Dann möchte es aber auch wohl verdienen, in die sorgfältigste Erwägung zugegen

[Nächste Seite] zu werden, ob nicht grade eine Erweiterung und nicht eine successive Verschließung des das linke Ufer bestreichenden Rhein-Armes von Allem Noth thun, damit der Strom nicht mit all zu großer Gewalt auf das sogenannte Heerdt Loch eindringen, und dort zum unberechenbaren Nachtheile der Stadt Düsseldorf einen Durchbruch verursachen, und sich einen neuen Weg suche.

Die großen Veränderungen, welche der Rhein im Laufe der Jahrhunderte fast allenthalben genommen, beweisen nur zu deutlich, daß die Gewalt des Stromes bei Überschwemmungen und furchtbaren Eisgängen die ihm gesetzten Eindämmungen nicht achtet, und die klügsten menschlichen Berechnungen zu nichte macht. Es läßt sich demselben daher mit Gewißheit keine Gränze bestimmen, daß er bis hierhin und nicht weiter gehen solle. Unsre durch die Erfahrungen früherer Zeiten bestätigten Befürchtungen können daher als unbegründet nicht betrachtet werden.

Für die Stadt Neuss steht hierbei ein großer, in Gelde kaum anzuschlagender Verlust auf dem Spiele. Nicht nur würde sie die für Schiffbarmachung der Erft in der neuern Zeit verwandte bedeutende Summe von 80,000 Thalern rein vergeblich ausgegeben haben, sondern es würde auch ihr Handel, der nur durch diese Verbindung mit dem Rhein besteht, allmählig ganz zu Grunde gehen, und sie dadurch aus der Reihe der gewerbtreibende Städte vollends heraustreten.

Bei so bedrohlichen Aussichten wird ein Königlich hohes Ministerium die Gerechtigkeit unsren Besorgnisse nicht verkennen können. Der Gefahr ausgesetzt, so große Verluste zu erleiden, wenn die projectirten Strom-Arbeiten zur Ausführung kommen, glauben wir uns daher auch den durch die Verhältnisse gerechtfertigten ehrerbietigen Antrag

[Nächste Seite] erlauben zu dürfen,

"daß vorläufig die unserer Stadt im hohen Grade "nachtheilige Arbeit ausgesetzt, und demnächst "die Beschwerde derselben einer nochmaligen "Prüfung von Technikern unterworfen, uns aber "gestattet werde, zu dieser Untersuchung, wenn "sie an Ort und Stelle Statt findet, einen sach"kundigen Ingenieur im Interesse der Stadt "zuzuordnen.

Es kömmt bei dieser A wichtigen Angelegenheit die ganze Zukunft einer nicht unansehnlichen Stadt in Frage, welche, wie dies in unserem Staate überall der Fall ist, auf den Schutz desselben gerechte Ansprüche hat. Unsern ehrerbietigsten Antrage wird daher auch die gewünschte Willfahrung nicht fehlen

Eines königlichen hohen Ministerii Neuhs, den 21. October 1842. ganz gehorsamster Bürgermeister und Stadtrath. (gez.) Carl Conrad Loerick, Dr Conrad Rheindorf, Bremenkamp, LeHenn, Thywihsen, Hermann Joseph Schmitz, Ahrweiler, Frowein, Tillmann, Broix, Hahn, Reinartz, Frings, Kayser, Zimmermann, Schwann, Pantzer, Ibels, Gruben, Esser, Schumacher, Hesemann, Degreeff. An Ein Königlich hohes Finanz-Ministerium zu Berlin.